Radhia Mihoub
: Hoteltelefonistin

Mitte zwanzig und frisch geschieden war Radhia Mihoub, als sie 1963 – gegen den Willen des Vaters – zum ersten Mal zu arbeiten begann: als Telefonistin in einem renommierten Hotel in Tunis. Wegen ihres gefälligen Auftretens betraute man sie bei Festlichkeiten im Hotel auch mit dem Empfang der Gäste. Das Anfangsgehalt von fünfzig Dinar (in den Sechzigerjahren circa 250 Mark) stieg im Laufe der nächsten zehn Jahre auf neunzig Dinar. Ob an der Rezeption, im Restaurant und in der Bar, in der Küche oder als Reinigungspersonal: in den Anfangsjahren des Tourismus fanden sich unter den Beschäftigten im Hotel nur wenige Frauen. Als öffentliche Orte zählten die neu entstehenden Hotels auch beruflich zur Domäne der Männer, und hier zu arbeiten galt, wie Frau Mihoub es ausdrückt, als wenig ehrenwert für Frauen.

Seitdem hat sich einiges verändert. Weibliche Erwerbstätigkeit im boomenden Tourismus hat nichts Anrüchiges mehr, ist im Gegenteil für arbeitssuchende Frauen attraktiv geworden. Das bestätigt Radhia Mihoub, die von Mitte der Achtzigerjahre bis zur Rente (in Tunesien mit sechzig Jahren) weitere elf Jahre in einem Mittelklassehotel in der eben erschlossenen Tourismuszone nördlich von Tunis gearbeitet hat. Ihr Nettoverdienst als Telefonistin verdoppelte sich in dieser Zeit von 130 auf 260 Dinar (ein Dinar entspricht gegenwärtig etwa 1,60 Mark); eine eigene Wohnung hätte Radhia, die weiterhin im Haus der Eltern wohnt, davon jedoch kaum anmieten können. Nicht ganz soviel wie eine Telefonistin verdient das Reinigungspersonal – es ist der einzige Arbeitsbereich im Hotel, der heute mehr oder weniger ausschließlich mit Frauen besetzt wird; als Zimmerfrau im Hotel lässt sich oft mehr verdienen als in einem Privathaushalt.

Männer und Frauen, die gemeinsam an der Rezeption tätig sind, gehören jetzt zum selbstverständlichen Bild der meisten tunesischen Hotels. Seit Mitte der Siebzigerjahre wächst die Zahl junger Frauen, die in Hotelfachschulen als Rezeptionssekretärin, Kellnerin, Köchin oder Wirtschafterin ausgebildet werden. Auch wenn sie erfolgreich ihr Berufspraktikum absolvieren, haben sie es in der Hotelbranche nach wie vor schwerer als ihre männlichen Kollegen; denn geht es um längerfristige Anstellung, so Radhia Mihoubs Erfahrung, gibt man in der Regel Männern den Vorzug, während Frauen oft nur befristet, während der Hochsaison, rekrutiert werden. Und kommt es zu Konflikten innerhalb des Personals, sagt Frau Mihoub, müssen meist die Frauen gehen.

RENATE FISSELER SKANDRANI