„Ich bineigentlich klasse!“

taz: Sie haben formuliert, Tourismus sei „die Leitökonomie der zweiten Moderne“? Ist diese Leitökonomie weiblich?

Felizitas Romeiß-Stracke: Die Zukunft ist ja ohnehin weiblich, und diese Leitökonomie wird immer weiblicher. Sie ist heute von den Arbeitsplätzen her zwar weiblich, aber von den Entscheidungsstrukturen noch total männlich geprägt. Im Tourismus sind so genannte weibliche Qualitäten wie Intuition und Dienstleistung sehr gefragt.

Gerade in Drittweltländern arbeiten viele Frauen im Tourismus. Hat das Rückwirkungen auf das Land, die Kultur?

Ich denke mir, dass dies durchaus der Fall ist, weil die Frauen dann ökonomische Stärken zeigen, die sie vorher nicht hatten, aber die Frau ist ja auch in vielen so genannten Ländern der Dritten Welt immer schon stark gewesen.

Könnten dann Arbeitsprofile wie Dienstleistung, Service, immer währende Freundlichkeit ehemals selbstständige Frauen zu dienstbaren Geistern machen?

Natürlich kann es das bedeuten. Ich glaube, das kann man nicht über einen Kamm scheren, weil doch die weiblichen Strukturen in den einzelnen Ländern sehr verschieden sind. Es kann passieren in Kulturen, wo die Frau eigentlich eine relativ starke Stellung hat, jetzt aber sozusagen in dieses Segment gedrückt wird und unsere Strukturen nachleben muss.

Sextourismus ist ein beliebtes Thema der Medien. In Mode gekommen sind Berichte über weiblichen Sextourismus. Machen es die Frauen den Männern nach?

Natürlich gibt es diese weibliche Reiselust. Aber wir wissen doch: Frauen verlieben sich fast immer in ihr Objekt der Begierde.

Wie kommt es, dass der Anteil von Frauen an Pauschalreisen, aber auch an Studien- und Kulturreisen so hoch ist?

Es gibt ja sehr viele auf Frauen zugeschnittene Reisen. Das sehe ich als Fortschritt, weil sich viele Frauen sonst gar nicht raustrauen würden. Es gibt sehr viele Frauen, die niemals allein verreisen würden. Im Wesentlichen sind es aber zwei Gründe: Angebote wieTöpferkurse und Esoterikreisen decken die Bedürfnislage der Frauen. Und zweitens fühlt frau sich sicherer, wenn alles organisiert wird, wenn sie in der Gruppe verreist.

Wohin fahren allein stehende Männer?

Die Männer folgen in der Regel ihren Frauen, das sieht man übrigens bei diesen Töpfer- und Esoterikreisen sehr häufig. Die Männer kommen dann dazu. Oder sie treffen sich mit Kumpels beim Skifahren oder beim Tennis. Was den männlichen Single betrifft, hat man ja festgestellt, dass sie keine Singlemännerreisen machen.

Welche Marktsegmente der Zukunft, die besonders Frauen ansprechen, sehen Sie?

Selbstfindungsangebot im weitesten Sinne. Selbstbewusstseinsstärkungsangebote werden enorm wachsen.

Was ist das konkret?

Etwas machen, von wo frau zurückkommt und sagt: Ich bin eigentlich Klasse! Das kann eine Abenteuerreise sein, das kann eine Psychoreise sein, wo einem der Guru immer wieder sagt, du bist einzigartig und musst dich annehmen.

Profitiert der Tourismus von der Unsicherheit der Frau?

Das tut er ganz sicher. Teilweise wird nur gereist, um etwas Schönes vorzuhaben. Ein Megatrend vor allem für Frauen, immer mehr aber auch für Männer ist der Bereich Gesundheit für Körper, Geist und Seele. Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren enorm zunehmen.

Interview: EDITH KRESTA

Literatur: Felizitas Romeiß-Stracke: „Tourismus – gegen den Strich gebürstet“. Profil, München/Wien 1998, 145 S., 29,80 Mark