Helikopter 007 im Landeanflug

Wie die Bundeswehrsoldaten nun dafür sorgen sollen, dass die Bundesregierung nach all der Kritik an der verspäteten Reaktion eine gute Figur macht

Aus Beira KORDULA DOERFLER

„German Airforce, zero zero seven, bitte um Starterlaubnis.“ Mit ohrenbetäubendem Geknatter steigt der Hubschrauber in die Luft. „Wie heißt der Ort noch mal, wo es hingehen soll?“, fragt Hauptmann Chris Bauer, der Pilot. „Buzi“, schreit der Kopilot zurück. „Bee-uuh-zett-iii!“ „Ist das auf der Karte?“

Ja, ist es. Buzi liegt etwa 25 Kilometer südlich der Hafenstadt Beira, in einem Sumpfgebiet. Der Bundeswehrhubschrauber dreht ab und überfliegt das schlammig braune, mehrere Kilometer breite Flussdelta von Beira. Gleich dahinter wird das ganze Ausmaß der Zerstörung deutlich. Unter uns liegt eine Seenlandschaft, durchbrochen von grünen und braunen Flecken. Die Straßen von Buzi sind nur noch an den Palmen zu erkennen, die sie einst gesäumt haben. Dazwischen ist Wasser, Wasser, Wasser.

„Ist Buzi denn auf der Karte?“

„Wo müssen wir hin?“, schreit Bauer durch den Lärm. „Zum Krankenhaus. Das Haus mit dem roten Dach.“ Vor dem kolonialen Gebäude landet 007 auf einer Wiese. Unten ist eine Menschenmenge zusammengelaufen. Tausende von Mücken und Tsetsefliegen surren in der Luft.

Den Piloten läuft beim Aussteigen der Schweiß in Strömen herunter. Bei knapp 40 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit fällt die Umstellung vom deutschen Winter schwer. Dazu kommt die angespannte Atmosphäre. In anderen Orten gab es schon Schlägereien um Hilfsgüter.

Die Menge rückt näher. Kinder zupfen an den stahlgrauen Fliegeruniformen. Hastig werden die Hilfsgüter ins Krankenhaus gebracht, das in überraschend gutem Zustand ist. Fünf Minuten hat Sören Petry von der deutschen Luftwaffe, um zu klären, was am dringendsten benötigt wird. „Wir brauchen Medikamten und Unterkünfte für die Leute“, sagt Silva Makakuva Chivunda. Der Direktor des Krankenhauses schätzt, dass in der Gegend von Buzi mehr als 50.000 Menschen von der Flut betroffen sind.

Keine weiteren Fragen, die Verständigung ist ohnehin schwierig genug. Und es ist auch nicht die deutsche Bundeswehr, die entscheidet, wer was bekommt. Zuständig sind die Hilfswerke unter Federführung des UN-Welternährungsprogramms WFP. „Wir sind derzeit die Spedition der staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsorganisationen“, sagt Helga Gräfin Strachwitz, die Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, die auch vor Ort ist.

Seit Beginn dieser Woche läuft die Nothilfe auf vollen Touren. Die insgesamt sieben deutschen Hubschrauber – drei vom Bundesgrenzschutz und vier von der Bundeswehr – wurden nach Beira verlegt, um von dort aus das Savetal zu versorgen.

Schneller als „die Amis“

Denn während die Region weiter südlich um den Limpopofluss einigermaßen rasch Hilfe bekam, dauerte es im weit von der Hauptstadt Maputo entfernten Savetal viel zu lange. Die Opposition macht politische Gründe dafür verantwortlich: Die mittleren und nördlichen Provinzen von Mosambik sind bis heute Hochburg der Renamo, der einstigen vom südafrikanischen Apartheidsystem unterstützen Rebellenbewegung, die bis 1992 einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Regierung führte.

Jetzt aber herrscht auch auf dem winzigen Flughafen von Beira ungewohnte Betriebsamkeit. In flirrender Hitze starten und landen Hubschrauber und Transportflugzeuge. Nach Malawiern und Deutschen sollen später auch US-Truppen eintreffen. Schneller gewesen zu sein als „die Amis“, die doch über jede Infrastruktur verfügen, darauf sind die Deutschen in Beira stolz. Große Transportflugzeuge hat schließlich mit Ausnahme der Amerikaner und der Russen niemand. Nach russischer Hilfe hält man allerdings in dem einstigen sozialistischen Bruderland Mosambik vergeblich Ausschau.

Eine riesige deutsche Flagge mit Bundesadler am Flughafengebäude von Beira demonstriert die deutsche Präsenz. Oben im ersten Stock ist die Luftüberwachung eingerichtet. „Die Koordination von Bundesgrenzschutz und Luftwaffe läuft reibungslos“, sagt Gert Fiedler von der BGS-Fliegerstaffel Süd. Jeden Morgen findet ein Koordinationstreffen gemeinsam mit WFP und anderen Hilfsorganisationen statt. Um den Nachschub zu garantieren, sind seit Mittwoch zwei deutsche Transall-Maschinen in einem Shuttle-Service zwischen Maputo und Beira unterwegs.

Weniger reibungslos ist die Zusammenarbeit der Medien. Im Flughafen von Beira hocken ganze Streitmächte aus den TV-Anstalten aller Welt, um einen der wenigen Plätze in den Hubschraubern zu ergattern. Fein heraus sind die, die es sich leisten können, eigene kleine, für Hilfsflüge ungeeignete Hubschrauber zu chartern.

Dazu kommt, dass Afrika für die meisten deutschen Soldaten ein unbekannter Kontinent ist. Kaum einer hat überhaupt Erfahrung in einem Dritte-Welt-Land. Viele der Offiziere waren immerhin schon im Ausland eingesetzt. Zu diesen Belastungen kommt der große politische Druck aus den zuständigen Ministerien in Berlin, die jeden Morgen die neueste Presseschau ins ferne Mosambik kabeln. Nachdem es in der vergangenen Woche Kritik am zögerlichen Vorgehen der Bundesregierung nur so hagelte, ist der Wunsch ernorm gewachsen, nun eine besonders gute Figur zu machen.

Vorbereitet auf einen Einsatz wie jetzt im südliche Afrika war in der Bundeswehr niemand. „Ich wusste am Samstag noch nicht einmal, dass ich fliegen muss“, sagt einer der Offiziere der Transall-Maschine. Anders als den meisten seiner Kollegen ist ihm der Kontinent nicht fremd. In Somalia und Ruanda war er bei deutschen Nothilfeeinsätzen dabei, als ehemaliges NVA-Mitglied kennt er sogar Mosambik. Die DDR pflegte zu den sozialistisch regierten Staaten Afrikas enge Beziehungen.

„Ist mal was anderes“, sagt einer der jungen Soldaten in Beira. Andere zählen hingegen die Stunden, bis sie wieder nach Hause dürfen. Doch daraus wird womöglich vorerst nichts werden. Von mindestens vier Wochen Einsatz in Mosambik geht ein Leutnant der Luftwaffe aus.

Vor solchen konkreten Zeitangaben hüten sich allerdings die, die die Entscheidungen zu treffen haben. Doch man kann sicher davon ausgehen, dass Außenminister Joschka Fischer (Grüne) bei seinem ersten Afrikabesuch Ende März, der ihn auch nach Mosambik führen soll, wohl noch auf deutsche Soldaten treffen wird.

In der Flughafenwartehalle von Beira werden wie immer täglich zwei Flüge nach Maputo abgefertigt. Interessiert wird dabei die hektische Betriebsamkeit auf dem Rollfeld beobachtet. „Es ist gut, dass die Hilfe jetzt kommt“, sagt ein Geschäftsmann aus Beira. „Unsere Regierung kriegt so etwas nicht hin.“

Hubschrauber 007 ist inzwischen gelandet. Die Pause für die Piloten ist nur ein paar Minuten lang. Von einem Fluss ist ein Hilferuf gekommen: Ein ohnmächtiger Mann auf einem Boot muss gerettet werden. 007 geht wieder in die Luft. In einer Stunde, gegen 18 Uhr, muss er wieder zurück sein. Denn dann bricht hier fast übergangslos die Nacht herein.