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: POLIZEI SCHAUT NACH LINKS

Die Polizei feierte gestern einen kleinen Sieg. Durch eine kurzfristige Routenänderung hat sie ein Aufeinandertreffen von Rechten und Linken in Kreuzberg verhindert. Nachdem dort Flugblätter mit der Parole „Nazis gemeinsam stoppen!“ kursierten, blockierten Demonstranten mehrere Kreuzungen, so dass die Polizei die Rechtsextremen durch die Leipziger Straße lotste. Dort konnten sie, geschützt von 1.500 Beamten, in aller Ruhe „Deutschland den Deutschen!“ und „Hier marschiert der nationale Widerstand“ brüllen.

Dass es zu keinen nennenswerten Auseinandersetzungen gekommen ist, ist jedoch das Verdienst besonnener Gegendemonstranten. Das „Verdienst“ der Polizei bestand darin, Transparente wie „Nie wieder Faschismus“ nicht länger als fünf Sekunden in der Luft zu lassen, damit sich die Neonazis nicht provoziert fühlten. Eine antifaschistische Mahnwache am geplanten Holocaust-Mahnmal wurde gleich ganz verboten. Die Beamten haben das getan, was sie in ihrem Kampf gegen Extremismus immer tun: in erster Linie nach links geschaut. Liest man in ihrer abschließenden Pressemitteilung von „Demonstranten“ und „Störern“, ist es nicht verwunderlich, dass mindestens dreimal so viele Linke wie Rechte festgenommen wurden. Dabei flogen nur vereinzelt Steine und Eier. Die große Mehrheit beschränkte sich auf „Nazis raus!“-Rufe und „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“.

Viele Passanten, die bei ihrem Sonntagsspaziergang von dem Aufzug überrascht wurden, standen kopfschüttelnd am Straßenrand und fragten sich, wer wen provoziert – die Polizei die Gegendemonstranten, indem sie dem „nationalen Widerstand“ sicheres Geleit gibt, oder die Linken die Polizei, indem sie „Nie wieder Faschismus“ fordern. Es mutet schon befremdlich an, wenn am Jahrestag des deutschen Einmarschs in Österreich Menschen festgenommen werden, weil sie gegen ein Wiedererstarken von Rechtsextremisten protestieren.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA