die stimme der kritik
: Betr.: Volksaktie Infineon

SPÜLMASCHINENFESTE FRISCHAKTIONÄRE

Champagner für Markus B., dottero007, klon2000 und wie die Glücklichen alle heißen! Schon am Sonntag hatten sie ihre Aktien im Depot. Zwischen 6.49 und 13.34 Uhr war die Sache gelaufen. Der Zufallsgenerator hatte ihnen zwischen 140 und 300 Infineons zugeteilt. Tausende Markusse und Klons dürfen sich jetzt als was Besseseres fühlen. Sie haben die Superaktie. Vorbei die Zeit, in der sie fürchten mussten, zum Anlagepöbel zu zählen. Der Run auf Infineon war so groß, dass nur jeder Sechste mit dem Papier wedeln darf.

 Und die, die draußen bleiben müssen, stimmen jetzt das große Jammern an? Nicht, bitte sofort mit dem Jaulen aufhören! Ihr Nichtbevorzugten, ihr seid keine Loser, auch ihr zählt zu den Gewinnern! Freut euch, rät das Zentralorgan des organisierten Kapitals, das Handelsblatt. Infineon habe nicht das Zeug zum ganz großen Papier. Klar, morgen und übermorgen fliegt der Kurs ins Blaue, weil viele noch ganz heiß darauf sind. Aber in ein paar Tagen oder Wochen reiht sich die Aktie ein in den natürlichen Zyklus der Halbleiterbranche. Und da geht’s zu wie im Schweineleben. Auf die fetten Tage folgen die mageren Jahre.

 Sexy sollen die Chips auch nicht sein. Infineons sind doch nur ein Rohstoff, ohne den Spülmaschinen, Mixer und Mangelmaschinen nun mal nicht laufen. Nicht auszurechnen, wie viele Spülmaschinen, Mixer und Mangelmaschinen Markus B. und die anderen sich anschaffen müssen, damit der Infineon-Gewinn ein klitzekleines Bisschen nach oben geht. Markus B., beiß die Zähne zusammen – das Tal der Tränen kann lang werden. Der Frischaktionär muss nicht nur Nervenstärke und Durchhaltevermögen beweisen. Er braucht einschlägige Klatschblätter. Er muss alles wissen über Ulrich Schumacher, 41. Der ist nämlich Chef bei Infineon. Nicht direkt verwandt mit Brummbrummschumi. Aber genauso risikobereit wie er. Schumi Ulli fährt mit seinem Porsche Halbprofirennen. Die Börsenanalysten wiegen den Kopf. RRRisikoooo! Schließlich ist ein Papier nur so viel wert wie der Boss des Unternehmens. ANNETTE ROGALLA