Karnickel in Nadelstreifen

Schon vor der heutigen Aufsichtsratssitzung scheinen die Beschäftigten von Deutscher und Dresdner Bank resigniert zu haben. Widerstand gegen den Stellenabbau ist kaum zu erwarten

von K.-P. KLINGELSCHMITT

Wenn heute die Aufsichtsräte von Deutscher Bank und Dresdner Bank in Frankfurt/Main zusammenkommen, um die angekündigte Fusion abzunicken, werden sich die von einer Entlassungswelle bedrohten Beschäftigten „wahrscheinlich wegducken wie die Karnickel“. Das befürchtet der für die Banken im Rhein-Main-Gebiet zuständige Sekretär der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV), Herbert Baier.

HBV und Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) stünden zwar „Gewehr bei Fuß“, um den Aufsichtsräten um Hilmar Kopper von der Deutschen Bank demonstrativ auf die Pelle rücken zu können, sagte Baier der taz. Doch ohne die Beteiligung der Betroffenen werde man nicht in die Hochhausschluchten zwischen den Bankentürmen ziehen. „Wir machen doch keine reine Funktionärsdemonstration.“

Während die Gewerkschafter bereit sind, heute noch schnell Flugblätter gegen die geplanten Massenentlassungen zu drucken, falls es den Betriebsräten in den Banken gelingen sollte, wenigstens einige hundert Kollegen zu mobilisieren, ist die Stimmung bei denen „total frustriert“.

Dabei stehen 16.000 Menschen auf der Abschussliste der neuen Deutschen Bank grün. Dass der Personalabbau nur über die „natürliche Fluktuation“ und die Nutzung von Altersteilzeitangeboten und Vorruhestandsregelungen durch die Beschäftigten erfolgen wird, wie die Vorstandschefs der Deutschen und der Dresdner Bank, Rolf E. Breuer und Bernhard Walter, noch in der vergangenen Woche angekündigt hatten, sei inzwischen auch nicht mehr wahr, so Baier. Jetzt schließen sie betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr aus. Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern hätten begonnen, sagte Breuer dem Spiegel. „Es gibt (dabei) keine Festlegung. In keine Richtung.“

Die Beschäftigten befänden sich im „Schockzustand“, sagte eine Betriebsrätin der Dresdner Bank auf Nachfrage. Ob zur Aufsichtsratssitzung Aktionen geplant seien? Da müsse man sich an die Gewerkschaften wenden, hieß es.

Gestern Mittag in der City strömten die „Geschockten“ wie immer zum Lunch in die Salatbars und Steakhäuser rund um das Bankenviertel. „Mich wird es schon nicht treffen“, glaubt ein junger Mann im braunen Anzug mit Weste und mit blank geputzten Stiefeletten, der in der Zentrale der Deutschen Bank in der Devisenabteilung arbeitet. Nur die „Filialies“ würden doch ins Gras beißen müssen, behauptet auch sein Kollege. Ein Kassierer von der Filiale um die Ecke mischt sich ein: „Wir brauchen uns auch keine Sorgen zu machen. Wir werden doch von der neuen Bank 24 grün übernommen. Jedenfalls hier in der City.“ Ein Ignorant. Auf dem Liebfrauenberg zwischen Zeil und Paulskirche ist die Deutsche Bank schon lange nur noch ein Automatencenter. Das sei „nicht schön“, sagt er. „Aber wenn ich heute auf die Straße gehe und demonstriere, bin ich dann vielleicht der Erste, der auf der Straße liegt.“

Es sei diese „Ellenbogenmentalität“, die eine machtvolle Aktion gegen die Allmacht der Banken verhindere, beklagt Gewerkschaftssekretär Baier. „Die Ellenbogenmentalität – und die Angst, der Erste auf der schwarzen Liste zu sein.“ Die Banker aus dem Börsenkeller sitzen nach dem Lunch wieder in den Chefetagen der Zwillingstürme der Deutschen Bank und On top of the world im Wolkenkratzer der Dresdner; und auch die Bankangestellten wieder an ihren Schreibtischen in den unteren Etagen. Die einen mit sich und der Welt zufrieden – und in Erwartung neuer Profite: Go big. Die anderen ängstlich wie die „Kaninchen“ (HBV) oder arrogant wie die Youngsters: Prinzip Hoffnung.