Zur Not Dringlichkeitsantrag

Skandal um Hertie-Stiftung und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegenMilliarden-Darlehen: Landesregierung verschleppt Antwort auf Anfrage

WIESBADEN taz ■ In der Finanzaffäre gemeinnützige Hertie-Stiftung zeigt sich die hessische Landesregierung ungewöhnlich zugeknöpft. Bereits vor sechs Monaten forderte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Alexander Müller, von der CDU/FDP-Regierung Aufklärung über die finanzpolitischen Transaktionen, die bei der Stiftung gelaufen sind. Hintergrund ist der Verdacht, dass die in Frankfurt angesiedelte Hertie-Stiftung zu Unrecht als gemeinnützig eingestuft worden war (siehe taz vom 4. März 2000).

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat bereits Ermittlungen gegen sechs Beamte der hessischen Finanzbehörden wegen Verdachts auf Untreue eingeleitet. Zudem wird die Hertie-Stiftung voraussichtlich Steuern in Höhe von bis zu 1,1 Milliarden Mark nachträglich entrichten müssen.

Im September letzten Jahres stellte der Grünen-Politiker Müller seinen Antrag in Sache Hertie-Stiftung. Er wollte von der Landesregierung wissen, ob eine Ausschüttung von 0,5 Prozent des Stiftungskapitals ausreicht, „um die Gemeinnützigkeit der Hertie-Stiftung auf Dauer zu begründen“. Seltsam findet Müller auch, dass Vermögen der gemeinnützigen Stiftung in Höhe von 1,6 Milliarden Mark an die gewinnorientierte Hertie-Familienstiftung ausgeliehen wurde – ein Darlehen, das auch Stiftungsexperten bedenklich findet.

Müllers Antrag landete zuerst auf dem Tisch von Finanzminister Karlheinz Weimar. Das Finanzministerium ist für die Erteilung der Gemeinnützigkeit zuständig. Von Weimars Behörde wanderte der Antrag in das Innenministerium, welches für die rechtliche Seite der Stiftungsaufsicht zuständig ist. Das Innenministerium hat die Beantwortung der neun Fragen, die sich auf Müllers Fragebogen befinden, „federführend“ in die Hand genommen, wie ein Ministeriumssprecher bestätigt. Anfänglich hieß es dann, die Antworten würden im November 1999 fertig. Seitdem verkündet der Ministeriumssprecher allmonatlich die Veröffentlichung des Antwortenkataloges. Geschehen ist bis heute nichts.

Anfänglich versuchte das Innenministerium die Schuld auf die ebenfalls beteiligte Frankfurter Stadtverwaltung abzuwälzen. Auf weitere Nachfrage räumt der Sprecher des Innenministeriums dann ein, dass es „interne Abstimmungsschwierigkeiten“ gebe. Man sei jedoch in der Endabstimmung, und in dieser Woche werde man die Antworten im Kabinett vorstellen.

Landtagsabgeordnete Müller wundert sich. Denn während „im Parlament keine Anfrage beantwortet wird, schafft man anderen Orts bereits Fakten“, sagt Müller mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwälte und die 1,1 Milliarden Mark Steuernachforderung, die im Raume steht. Er erwägt jetzt, einen Dringlichkeitsantrag zu stellen. Den muss die Landesregierung binnen fünf Tagen beantworten.

DAVID SCHRAVEN/MARTIN MURPHY