Sächsische Blondinen bevorzugt

■ Das Focke-Museum hat in einer kleinen Ausstellung das bewegte Leben der Sachsen und Chauken rekonstruiert. Diese UrbremerInnen bestritten ihren Lebensunterhalt als Söldner, HändlerInnen und ausgewiesene Anhänger kriminellen Tuns

Der Römer war ja kein dummes Kerlchen. Leder, Felle, Nahrungsmittel, Sklaven – was in den von ihm eroberten Gebieten zwischen Afrika und Wesersümpfen nicht niet- und nagelfest war, wurde ruckzuck in die heimische Metropole geschippert und dort verhökert. Und wenn mal was niet- und nagelfest war, bedeutete das nicht, dass der Römer dies zum Anlass nahm, davon tunlichst die Finger zu lassen. Der Anblick eines properen Sachsenweibes etwa ließ den römischen Händler an all die wohl situierten Damen daheim denken, deren sehnlichster Wunsch es war, mit blonder Perücke ums Colosseum zu lustwandeln. Der berüchtigte altrömische Gassenhauer „Schöne Maid, hast du heut für uns Zeit?“ wurde angestimmt, und kurze Zeit später war die Sächsin enthaart und ihr blonder Schopf auf dem Weg zum römischen Markt.

Solche dummdreisten Geschichten aus dem Zeitalter der Kaiser Augustus und Tiberius glaubt einem natürlich kein Schwein. Welch Glück, dass das Focke-Museum da mit seiner Ausstellung „Siedler, Söldner und Piraten – Chauken und Sachsen im Bremer Raum“ die für derartige Räubergeschichten dringend notwendigen Belege liefert. Wie immer, wenn ArchäologInnen die Früchte ihrer Buddelarbeit präsentieren, sieht man zunächst viel kaputtes Zeug: Zerbrochene Schalen, modrige Kleiderreste, rostige Gürtelschnallen oder vergammelte Menschen und Tiere. Doch das genügt, um die Phantasie rasant zu beflügeln und das Leben jener Stämme zu rekonstuieren, die die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt in Bremen und umzu siedelten. Und anhand von großen Bildern und Schaupuppen ist im Focke-Museum außerdem zu bestaunen, wie zum Beispiel wohl ein römischer Händler, ein sächsischer Krieger oder ein in Tuch gehüllter chaukischer Frauenleichnam aussah, ehe er auf dem Scheiterhaufen in ein gräuliches Aschehäufchen verwandelt wurde.

So pfiffig der Römer, so wüst der Sachse: Offenbar verbrachte der Urbremer einen beträchtlichen Teil seiner Zeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen und Rechtsverstößen. Wenn er nicht gerade auf (im Museum als Rekonstruktion zu sehenden) aufgestockten Einbäumen durch die Gewässer paddelte, um anliegende römische Siedlungen, Villen und Boote zu überfallen, steckte er spätestens ab dem dritten Jahrhundert sein „Sachs“ genanntes Schwert im Dienste der römischen Armee ungeniert hinein in Briten und Franzosen. Denn nach anfänglichen Eroberungsversuchen hatten die Römer eingesehen, dass die Zwangseingemeindung der unwirtlichen Bremer Sumpflandschaft und ihrer SiedlerInnen nicht wirklich erstrebenswert war. Stattdessen wurden die Sachsen in den finanziell lukrativen Söldnerdienst für das römische Reich gelockt und zugleich als HandelspartnerInnen entdeckt, die unter anderem hübschen Bernstein, gutes Leder und eben blondes Frauenhaar im Angebot hatten.

Auch über den Lebensalltag der Chauken und Sachsen informiert die Ausstellung. Anhand von Gräber- und Häuserfunden hat Ausstellungsmacher Dieter Bischop sowohl die religiösen Riten als auch die Wohnformen zu rekonstruieren gesucht. Damit es im Jenseits nicht langweilig wurde, legten die alten Germanen ihren Toten neben Schmuck und Statussymbolen auch ein paar Brettspiele à la Backgammon mit ins Grab. Und das traute Heim bestand aus nicht viel mehr als einem hölzernen Brunnen vor der Tür und einem Geschmier aus Flechtwerk und Lehm plus Dach, wie der originalgetreue Nachbau eines Fundes aus Huchting belegt.

Schlussendlich hatten nicht nur die Römer, sondern auch die Sachsen die Nase voll von permanent feuchten Füßen, unfreiwilligen Schlammpackungen und übersichtlichen Essensrationen im Stile der Nouvelle Cuisine. In der Mitte des vierten Jahrhunderts packte ein Großteil der Weserregionbewohner seine Sachen und suchte in England sein Glück. Aber vielleicht war alles ganz anders und die Engländer suchten in dieser Zeit verzweifelt ausländische Computerexperten und warfen deshalb mit großem Erfolg wäschekörbeweise Green Cards über Bremen ab. Die nächste ArchäologInnengrabung wird uns in der Hinsicht zweifellos klüger machen. Franco Zotta

Die Ausstellung ist bis zum 14. Mai im Focke-Museum zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Begleitbuch erschienen (35 Mark). Öffnungszeiten: Di 14-22 Uhr, Mi-So 10-18 Uhr. Ab 1. April veränderte Öffnungszeiten: Di 10-21 Uhr, Mi-So 10-17 Uhr. Weitere Infos erhält man unter der Telefonnummer 361 33 91 oder im Internet: www.bremen.de/info/focke .