Das rote Tuch

Jürgen Mahneke, Betriebsratschef bei der Holzmann AG, kritisiert die herrschende Klasse der Funktionäre in Bauindustrie und Baugewerkschaft

Jürgen Mahneke war wohl der erste Betriebsratsvorsitzende eines großen Unternehmens, der mit dem Austritt seiner Firma aus dem Arbeitgeberverband gedroht hat. Das 58-jährige Beschäftigtenvertreter beim Frankfurter Baukonzern Holzmann muss sich seitdem gegen den Ruf des Nestbeschmutzers und Sturkopfs wehren. Kein Wunder: Hat Mahneke doch mit seiner Drohung das Allerheiligste in Frage gestellt – die Aushandlung von flächendeckenden Tarifverträgen zwischen den Arbeitnehmerorganisationen und den Unternehmerverbänden.

Bundesweit bekannt wurde Jürgen Mahneke, als er im November 1999 nach Berlin zu Bundeskanzler Schröder reiste, um Unterstützung für die Rettung seiner bankrotten Baufirma zu organisieren. Tage später stand der gelernte Bauingenieur, der seit 1965 bei Holzmann arbeitet, auf einem Lkw vor der Konzernzentrale – von seinen Kollegen umjubelt, vom Kanzler umarmt. Mahneke hatte es geschafft: kein Konkurs, noch eine letzte Chance. Die droht nun wieder einmal zu zerrinnen. Darüber werden heute – nicht zum letzten Mal – die Aktionäre auf der Hauptversammlung diskutieren.

Mahneke, ein an sich besonnener Mensch, findet im persönlichen Gespräch starke Worte, wenn er sich über die Politik des Bauindustrie-Verbandes aufregt. Für die Öffentlichkeit spielt er seinen Unmut herunter: „Ich bin maßlos enttäuscht.“ Denn der Unternehmerverband hat den Sanierungstarifvertrag zwischen der Gewerkschaft und dem Holzmann-Konzern abgelehnt. Die Bauarbeiter sind bereit, fünf Stunden pro Woche umsonst zu arbeiten – doch nach der Ablehnung der Unternehmer hängt wieder alles in der Luft. Der Verband fordert, dass auch andere Betriebe in den Genuss kostenloser Mehrarbeit kommen sollen.

So etwas hat Mahneke in seiner 18-jährigen Tätigkeit als Betriebsrat noch nicht erlebt. Für ihn ist es kaum zu fassen, dass der Verband seinem Mitglied Holzmann nicht beistehen will. Die harte Konsequenz des normalerweise als kompromissbereit geltenden Mahneke: Er forderte den Austritt aus dem Unternehmerverband. Inzwischen rudert er wieder zurück, um es sich mit der eigenen Gewerkschaft nicht völlig zu verscherzen. Allerdings zeigt Mahneke wenig Lust, auf die Einwände der Gewerkschaftsführung Rücksicht zu nehmen. Die Beschäftigtenorganisation wehrt sich bislang dagegen, für die westlichen Bundesländer einen neuen Flächentarifvertrag mit Öffnungsklauseln abzuschließen, mit deren Hilfe bedrohte Betriebe wie Holzmann gerettet werden könnten. HANNES KOCH