Cohen will Kooperation mit Vietnam

Der US-Verteidigungsminister bekennt sich in Hanoi zur Einbindung Chinas in die Weltpolitik. Für den Vietnamkrieg will er sich nicht entschuldigen. Seine Gastgeber fordern ihn jedoch zu finanzieller Hilfe bei der Beseitigung von dessen Spätfolgen auf

von SVEN HANSEN

US-Verteidigungsminister William Cohen hat gestern am zweiten Tag seines historischen Vietnam-Besuches der Regierung des südostasiatischen Landes eine verstärkte Zusammenarbeit angeboten. Sie soll sowohl Sicherheitsfragen als auch die Spätfolgen des im Vietnamkrieg von den USA eingesetzten Entlaubungsmittels Agent Orange, die Minensuche und Fragen zur Flutkontrolle betreffen. Bisher kooperierten beide Seiten nur bei der Suche nach im Krieg vermissten US-Soldaten.

Cohen sagte in der Militärakademie in Hanoi, die beiden Länder teilten eine gemeinsame Geschichte von „Stolz und Schmerz“. Er bekannte sich zur fortgesetzten Präsenz der US-Streitkräfte in der Asien-Pazifik-Region, da sie zur dortigen Sicherheit beitrügen. Zugleich forderte er Vietnam zu einem stärkeren Engagement in der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean auf, insbesondere im Hinblick auf den Gebietskonflikt um die Spratly-Inseln mit China und anderen Anrainerstaaten.

Doch Cohen bemühte sich auch, China nicht zu beunruhigen. Die Regierung in Peking betrachtet eine Annäherung Washingtons und Hanois mit Misstrauen. Vietnam und sein früherer Verbündeter China hatten 1979 nach dem vietnamesischen Einmarsch in Kambodscha selbst Krieg gegeneinander geführt.

Cohen versicherte, die USA wollten weiter aktiv die internationale Einbindung Chinas verfolgen. Wirtschaftswachstum in der Region, die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und eine Entspannung in der Taiwan-Frage seien nicht ohne die Zusammenarbeit mit China möglich. Peking forderte er insbesondere im Hinblick auf Taiwan auf, sich nicht der „selbst bewahrheitenden Voraussage der Konfrontation“ hinzugeben, sondern sich als „große kooperative Nation“ zu verhalten. Chinas Regierung wiederholte jedoch noch gestern ihre Drohungen an Taiwan, wo am Samstag ein neuer Präsident gewählt wird. Ein Regierungssprecher sagte, Peking werde keine Schritte hinnehmen, die auf eine Unabhängigkeit der Insel hinausliefen.

Vietnams Regierung reagierte auf Cohens Besuch positiv und zurückhaltend zugleich. Zum einen ist man sich der Ängste Chinas vor einer „Umzingelung“ bewusst, zum anderen misstraut man selbst den USA. Cohens Besuch ist die erste Vietnam-Reise eines US-Verteidigungsministers seit dem Ende des Krieges 1975. Washington und Hanoi hatten erst 1995 wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen.

Premierminister Phan Van Kai forderte Cohen zu stärkerer Hilfe bei der Überwindung der Spätfolgen des Vietnamkrieges auf. Cohen hatte bereits vor der Reise deutlich gemacht, dass er sich nicht für den Krieg entschuldigen wolle. Damals starben 58.000 US-Amerikaner und drei Millionen Vietnamesen. Am ersten Tag seines Besuches hatte sich Cohen für die Hilfe Hanois bei der Suche nach den 1.500 in Vietnam verschollenen US-Soldaten bedankt. Er besuchte am Montag einen Ort, an dem nach sterbliche Überresten gesucht wird, und gestern die 921. Luftwaffeneinheit, die die meisten US-Kampfflugzeuge abgeschossen hatte.