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Vorschriften sind für Pussies

In den schmutzigen Händen der Haarfärbe-Mafia ist die kolorierende Frau verloren

Entgegen aller Propaganda ist der gemeine Haarfarbenhersteller auf keinen Fall der beste Freund der Frau. Aufmerksame Beipackzettelleserinnen merken das schnell, nämlich dann, wenn ihnen befohlen wird, vor dem Tönen einen Allergietest durchzuführen. Dazu soll eine kleine Portion von der fertig angerührten Pampe auf die Haut aufgetragen und 24 Stunden später begutachtet werden. Erst danach darf gefärbt werden – mit dem verbliebenen Rest der Mischung, die allerdings laut Hersteller unbedingt „sofort“ nach dem Mixen verbraucht werden muss.

Daraus lernt frau zweierlei: Vorschriften sind für Pussies, und richtiges Haarefärben funktioniert ganz anders als das von Männern vorgeschriebene. Die optimale Wirkung erzielt die Anwenderin sowieso nur, wenn sie die vom Hersteller vorgegebene maximale Einwirkzeit drastisch überschreitet.

Bloß auf die Folgen wird die kolorierende Frau von keiner Gebrauchsanleitung vorbereitet. Was ist, wenn gerade Platinblond en vogue ist? Angesicht extrem dunkler Naturhaarfarbe keine leichte Aufgabe. Fünf große Packungen „Born Blonde“, das Durchlaufen aller nur denkbaren Orangetönungen und viel Leiden – das ist der harte Weg zum schönen Ziel: Strahlend blond kann frau in ein neues Leben starten. Das so weit in Ordnung ist, bis sie nur wenig später am Tag auf die erste Kassiererin im Kaufhaus trifft, die in einem ansonsten speziell für von der Marktwirtschaft verwirrte Ostler reservierten mütterlichen Tonfall der Neu-Blondine Mut macht für den Alltag: „Ach Kindchen, keine Angst, sie dürfen jederzeit bei mir bezahlen.“ Die Kittelträgerin patscht an der erbleichten Kundin herum und zwinkert den Umstehenden zu, während sie gleichzeitig den gerade übergebenen Schein wie Falschgeld hochhält. Was soll man darauf antworten? „Ich bin nicht aus dem Osten! Und ich bin eigentlich gar nicht blond!“ Als Blondine mit durchschimmerndem schwarzen Ansatz?

Es hilft nur, das Blond abzuschneiden und back to the basics ungefärbt weiterzuleben. Bis plötzlich Rot-sein absolut modern wird. Dass frau mit jedem gewählten Feuerton aussieht wie eine Meck-Pommeuse frisch von der Friseurschule, ist wieder etwas, das von den Farben-Gewaltigen verschwiegen wird, und so muss sie ganz allein damit leben lernen, in jeder Kosmetikabteilung von älteren Damen hilfesuchend angesprochen zu werden: „Sie arbeiten doch hier! Sie können mir doch sicher helfen?“

Schleunigst muss die Ursprungshaarfarbe wieder her. Schwarz. Ganz einfach schwarz. Dumm nur, dass frau auf dem Weg zur Farbe am Regal mit den Neuerscheinungen vorbeikommt. Dort gibt es Innovatives, mit Vitamin B 12. Klingt gut und gesund, und blauschwarz wie Winnetou wollte sie eigentlich auch immer schon sein.

Die Pampe wird also ohne Allergietest auf das trockene Haar aufgetragen, und nach gut einer halben Stunde wieder abgewaschen. Und schon ist frau blauschwarz. Allerdings nicht lange. Das Abwasser in der Dusche ist bereits kurze Zeit später verdächtig dunkel. Und frau selber bald darauf ... – ja, was eigentlich? Auf keinen Fall blauschwarz. So geht das alles nicht. Aber endlich darf frau umsonst eine der angebotenen schicken Not-Call-Nummern wählen.

Die Telefondame überzeugt sehr: Frau habe alles richtig gemacht, es sei ja auch gar nicht so einfach. Dass die Dame einen Haufen Fangfragen stellt, stört nicht weiter. Eher schon ihr abschließender Befehl: „Schicken Sie eine Haarsträhne ein! Dann überprüfen wir die im Labor!“ Um dann was damit zu tun? Herauszufinden, dass die Kundin sich nicht an die Vorschriften der Haarfärbe-Mafia gehalten hat? Vergiss es. Befolge deine eigenen Regeln. ELKE WITTICH

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