DER BALKAN DROHT ZUR BEUTE DES SERBISCHEN DIKTATORS ZU WERDEN
: Kriegszündler Milosevic

Fünf Millionen Dollar Belohnung stehen auf den Kopf des Verbrechers. Zehntausendfach wird sein Steckbrief in diesen Tagen auf dem gesamten Balkan verbreitet. An Grenzübergängen, an Botschaftsgebäuden, an westlichen Kulturhäusern hängt das Konterfei von Slobodan Milošević aus.

 Die Amerikaner, die die Belohnung zur Ergreifung des jugoslawischen Präsidenten ausgeschrieben haben, verweigern jedoch jede Auskunft, wie viele „heiße Tipps“ sie schon bekommen haben, um jenen Mann schnappen zu können, der vier Kriege auf dem Balkan anzetteln ließ und derzeit an weiteren Waffengängen zündelt. Gut möglich, dass die Amis auch gar keine „Tipps“ einsammeln wollen, weil sie gar keine brauchen. Die US-Sheriffs wissen eh, wo der serbische Fanatiker sitzt und wie sie ihn „beseitigen“ könnten, wenn sie nur wollten. Aber etwas Show muss sein, um der amerikanischen Bevölkerung das Gefühl zu vermitteln, es gibt nur eine Ordnungsmacht auf der Welt. Es ist eben Wahlkampfzeit jenseits des Atlantiks.

 Doch diesseits des großen Wassers herrschen andere Gesetze. Im Kontinent der Kleinstaaten gibt es einfach keine paneuropäische Ordnungsstruktur, die gegen Kriegszündler etwas ausrichten könnte. Da hilft auch kein US-Fuchteln mit der Keule. Das schadet eher auf lange Sicht. Kurz vor dem ersten Jahrestag des Nato-Luftkrieges gegen Jugoslawien schauen die Europäer besorgt nach Südosten und fragen sich: Was haben die Bomben gebracht? Das Kosovo ist ein Nato-Protektorat, Bosnien ein UN-Verwaltungs-Provisorium, Montenegro ein Schattenstaat, Makedonien nicht mehr als ein geografisches Gebilde ohne Staatsstruktur.

 Bei so viel Verwirrung kann Milošević nur lachen. Denn jede provisorische Verwaltung – das zeigt die Geschichte und das weiß der hartgesottene Diktator – bricht eines Tages in sich zusammen und wird zur leichten Beute der alten Herrscher. Trotz Nato-Bomben, trotz Verlust eines nicht unbedeutenden Teils des Landes an die Nato, trotz Flüchtlingsströmen aus dem Kosovo, trotz wirtschaftlicher Isolierung, trotz einer gewissen Aufmüpfigkeit der Bürger Montenegros, Milošević hält sich in Belgrad an der Macht. Es scheint, er hält noch weiter durch.

 In den Amtsstuben der unzähligen Friedensstifter und selbst ernannten Ordnungsmakler zwischen Brüssel und New York müssten längst die Warnsirenen aufheulen, dass sich mit fünf Millionen Dollar Kopfgeld der Balkan nicht demokratisieren lässt. Ein bisschen mehr Ideen und Aufbauhilfe sind gefragt, ein Balkan-Stabilitätspakt eben. Aber nicht nur auf dem Papier. KARL GERSUNY