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Verkehrsclub VCD: Im Norden stehen vier Bahnstrecken auf dem Prüfstand ■ Von Peter Ahrens
Mit dem Interregio von Hamburg nach Lübeck oder Flensburg und von Lübeck nach Schwerin, mit dem Intercity nach Westerland – diesen Service sollte man eifrig nutzen, solange es ihn noch gibt. Denn alle vier Verbindungen stehen auf einer Liste, die dem Verkehrsclub Deutschland VCD „aus Bahnkreisen“ zugespielt wurde. Danach plant die Bahn, diese Verbindungen entweder zu streichen oder sie zumindest aus dem Fernverkehr heraus zu nehmen und nur noch Nahverkehrszüge fahren zu lassen (taz berichtete) – was hieße, dass die Länder und nicht die Bahn dann für die Kosten aufkommen würden, denn für den Nahverkehr sind die Bundesländer zuständig.
Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis weist zurück, dass bei dem Unternehmen schon exakte Pläne in der Schublade liegen. „Mit Erstaunen“ habe er von der Liste erfahren, es gebe für die betroffenen Strecken keine ihm bekannten entsprechenden Planungen. Allerdings sei man angesichts des enormen Defizites gehalten, „auf die Betriebswirtschaftlichkeit zu achten“. In diesem Jahr müsse man „die Trendwende hinbekommen“. 1999 hat die Bahn ein Minus von 170 Millionen Mark eingefahren.
Der VCD ist überzeugt, dass die Liste auf „sehr konkreten Plänen“ beruht. Und auch Jürgen Ewers von der landeseigenen Verkehrs-Service-Gesellschaft Schleswig-Holstein hat sich seit längerem darauf eingestellt, „dass sich die Bahn von Strecken verabschiedet und wir als Länder die hinzubekommen“. Dann stelle sich die Frage, wie das zu bezahlen sei. Es komme für die Länder jedenfalls nicht in Frage, die Finanzierung zu übernehmen. Hamburgs Verkehrsbehörde hofft schlicht, dass „die Bahn mit den Ländern fair umgeht“.
Bis 2001 wird an den betroffenen Strecken wohl noch nicht gesägt. Bis dahin gebe es feste Fahrplanvorschauen, sagt Bernd Rees-torff, Sprecher des Kieler Verkehrsministeriums. Lediglich auf der Verbindung zwischen Lübeck und Schwerin wird der Takt ausgedünnt, und zwischen Hamburg und Lübeck werden sechs tägliche Zugpaare eingespart.
Für den Fahrgastverband Pro Bahn wäre es nach Aussage ihres schleswig-holsteinischen Sprechers Thorsten Brandt ohnehin nicht so dramatisch, wenn Lübeck-Schwerin auf Nahverkehr umgestellt würde: „Die Auslastung ist jetzt schon total mies, das lohnt sich für die Bahn kaum“. Auch Hamburg-Flensburg sei „nicht so doll“, da die Züge, die aus Dänemark kommen, oft unpünktlich seien und es dadurch zu verpassten Anschlüssen komme. Zwischen Hamburg und Lübeck wünscht sich Brandt für die Fahrgäste einen 30-minütigen Nahverkehrstakt. Nur bei Hamburg-Westerland könnte Pro Bahn ein Abgeben der Strecke durch die Bahn nicht nachvollziehen. „Die Leute, die in diesem Zug sitzen, bringen viel Geld mit“, spielt er auf die Nordsee-Touristen an: „Die Bahn wäre schön blöd, wenn sie sich von dieser Strecke zurückziehen würde.“
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