Per Salamitaktik zum Frieden

Gewaltige Auseinandersetzungen sind in Mitrovica Alltag. Mit der Einrichtung von Sicherheitszonen wollen KFOR-Truppen jetzt die zwischen Serben und Albanern umkämpfte Stadt befrieden. Im Viertel der bosnischen Mahala ist der Anfang gemacht

aus Kosovska MitrovicaERICH RATHFELDER

Nur wenn in Mitrovica Frieden geschaffen werden könne, würde für das gesamte Kosovo eine bessere Zukunft beginnen. Das ist eine Erkenntnis, die sich bei den internationalen Diplomaten und Militärs in Kosovo durchgesetzt hat. Mit einer neuen Strategie der KFOR soll die Stadt endlich „beruhigt“ werden. Die französischen Soldaten der KFOR, die hier im Zentrum stehen, sollen dazu „Sicherheitszonen“ in dieser zwischen Albanern und Serben geteilten Stadt schaffen.

Doch erste Versuche sind gescheitert. Als am Mittwoch französische Truppen ein Netz von Kontrollpunkten im serbisch dominierten Nordteil errichten wollten, flogen Steine. Französische Soldaten waren gezwungen, gegen serbische Demonstranten mit Tränengas vorzugehen. Auf beiden Seiten gab es 19 Verletzte.

Die noch vor drei Wochen spürbare Sympathie zwischen der serbischen Bevölkerung der Stadt und den französischen Soldaten schwindet. Gestern blieb alles ruhig, doch im serbischen Teil gärt es weiter. An der Straßenkreuzung, etwa 200 Meter von der östlichen Brücke entfernt, stehen einige Wachposten. Sie beobachten jede Bewegung der KFOR, die auf der Brücke und in den Nebenstraßen, in den Häuserzeilen der so genannten bosnischen Mahala, Posten bezogen hat. An dieser Kreuzung beginnt der serbische Teil. Und sollten die Franzosen versuchen, ihre Aktion zu wiederholen, „werden wir uns wehren“, bemerkt einer der Serben. Die Stimmung gegenüber Ausländern ist feindselig. Mehr will man hier nicht sagen. Kein Zweifel, die Drohung ist ernst gemeint, der Widerstand organisiert.

So beschränkt sich die KFOR darauf, die Bevölkerung in der bosnischen Mahala zu kontrollieren. Hier leben Albaner, Roma, muslimische Slawen, die sich selbst als Bosniaken bezeichnen, und auch einige Serben. Als nach Angriffen der Serben auf dieses Viertel am 13. Februar zwei französische Wachposten aus diesem Viertel beschossen und verletzt wurden, kam es zu einem Schulterschluss der Franzosen und Serben. Serben und Franzosen beschossen sieben Stunden diese Häuserzeilen. 51 Männer nahmen die Franzosen fest. Das Viertel wurde nach Waffen durchsucht, aber nichts gefunden.

Die Gefangenen seien schlecht behandelt worden, hätten auf Steinboden ausharren müssen, beklagte ein Bericht von amnesty international. Die französischen KFOR-Truppen wurden in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht beschuldigt, die Albaner wie Feinde behandelt zu haben.

Auch Fuad Vraneshi gehörte zu ihnen. Drei Tage wurde er von den Franzosen festgehalten. Als ihm nichts nachgewiesen werden konnte und in den Häusern keine Waffen gefunden wurden, sei er freigelassen worden. „Wir mussten auf dem Steinboden schlafen, wir wurden beschimpft.“ Die Franzosen seien bei der Durchsuchungsaktion nicht zimperlich vorgegangen. „Dass sie uns mit den Serben beschossen haben, werden wir nicht so schnell vergessen.“

Jetzt aber habe sich die Lage entspannt. Seit der französische Brigadegeneral De Saqui de Sannes das direkte Gespräch mit den Bewohnern der Mahala suchte, sei das Verhältnis besser geworden. „Wir zeigten ihm, dass wir friedlich zusammenleben wollen, die 600 Albaner und Bosniaken sowie die drei serbischen und vier Roma-Familien.“ Der General hätte gesagt, es sei sein glücklichster Tag im Kosovo gewesen. „Es gibt viele normale Leute hier, wir sind keine Radikalen“, fügt Fuad Vraneshi hinzu.

Und dennoch: Kaum aus dem Haus getreten, werden wir von französischen Soldaten gründlich kontrolliert. Keine 20 Meter weiter muss Fuad wieder die Taschen leeren. „Heute ist Kurban Bajram, das wichtigste religiöse Fest der Muslime, da besuchen wir unsere Nachbarn, alle werden durchsucht. Wenn die KFOR-Soldaten das auch weiter oben machen, kann es uns recht sein.“

„Weiter oben“ jedoch geschieht nichts. Die serbischen Zivilisten halten weiter Wache. „Wir müssen nach der Salamitaktik vorgehen“, sagt ein französischer Offizier. Langsam solle die „Sicherheitszone“ ausgedehnt werden. Die Leute würden sich daran gewöhnen. Bisher müssen sie es noch nicht, die „Sicherheitszone“ beschränkt sich bislang nur auf die bosnische Mahala. Damit ist in der Stadt noch kein Friede geschaffen.