Es wird wieder scharf geschossen

Der Parteitag „Grüne Energie“ sollte selbige für die Wahlen in NRW ausstrahlen. Stattdessen gibt es das Übliche: Stress um Atom, Waffen, Personalien

aus Berlin TINA STADLMAYER

Einen Tag vor Beginn des Grünen-Parteitags in Karlsruhe sorgt ein neues Thema für Zündstoff: die beantragte Lieferung von 64 Fuchs-Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate. Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende der Grünen, Reiner Marz, kündigte einen Antrag zu diesem Thema an: „Der Parteitag wird nicht auseinander gehen, ohne dass es eine Abstimmung dazu gegeben hat.“ Eine Panzerlieferung an die Emirate widerspreche eindeutig den neuen Richtlinien der Regierung für Rüstungsexporte. Das Verteidigungsministerium hat inzwischen bestätigt, dass es eine Anfrage der Emirate zur Lieferung der Spürpanzer gibt. Eine Voranfrage über 28 Panzer im Januar 1999 vom Bundessicherheitsrat positiv entschieden. Im Oktober gab es dann eine neue Voranfrage über weitere 36 Panzer, über die der geheim tagende Rat noch nicht abgestimmt hat. Der Beschluss, einen Testpanzer an die Türkei zu liefern, hatte im vergangenen Herbst eine Koalitionskrise ausgelöst, weil der grüne Außenminister Joschka Fischer im Ausschuss überstimmt worden war.

Offenbar wurde Fischer auch im Falle der 28 Panzer für die Emirate überstimmt – nur hat es bis gestern niemand gemerkt.

Ursprünglich sollte von dem Parteitag ein positives Signal für die NRW-Wahlen ausgehen. „Grüne Energie“ lautet das hoffnungsfrohe Motto. Doch inzwischen sind alle froh, wenn sich Selbstzerfleischung und Chaos einigermaßen in Grenzen halten.

Beinahe täglich wurden die Grünen im Vorfeld des Parteitages von neuen unangenehmen Informationen überrascht. Aus der taz erfuhren die Mitglieder der Bundestagsfraktion, dass Außenminister Fischer eine Exportbürgschaft für ein neues Atomkraftwerk in China abgesegnet hat. Fischer wurde dafür von den Abgeordneten heftig beschimpft und gab zu, „einen schweren Fehler“ bei der Kommunikation gemacht zu haben.

Rezzo Schlauch sagte gestern, er sei nicht bereit, Joschka Fischer wegen dieses Vorgangs auf dem Parteitag beizustehen. Vertreter des Landesverbandes Berlin tönten bereits, sie sähen sich bestärkt, „in der Frage des Atomausstiegs für eine harte Linie zu kämpfen“.

Umweltminister Jürgen Trittin muss damit rechnen, dass sein Leitantrag zum Atomausstieg vom Parteitag auseinander genommen wird. Noch vor wenigen Monaten hatten Umweltminister und Bundesvorstand versprochen, bis zum Parteitag werde ein Ergebnis der Gespräche mit den Konzernen vorliegen. Falls die Verhandlungen gescheitert seien, müsse die Delegiertenkonferenz über ein Gesetz zum Atomausstieg im Dissens entscheiden. Die Gespräche mit den Vertretern der Atomindustrie hatten am vergangenen Dienstag wieder keine Fortschritte gebracht. Jürgen Trittin will den Delegierten trotzdem kein Ausstiegsgesetz, sondern nur seinen Leitantrag vorlegen. Darin steht nach Informationen der taz, dass die Geduld der Grünen bald erschöpft sei.

Der Antrag enthält kein Ultimatum an die Industrie – die Grünen sind sich einig, dass dies kontraproduktiv wäre. Trotzdem hatte Joschka Fischer gestern noch Änderungswünsche für den Leitantrag. Der Vorschlag Trittins war ihm zu undiplomatisch.

Dagegen wird der Leitantrag vielen Delegierten zu kompromissbereit sein. Den aktiven Atomkraftgegnern sind 30 Jahre Gesamtlaufzeit plus drei Übergangsjahre zu lange. Sie waren immer schon der Meinung, dass Konsensgespräche mit der Industrie Zeitverschwendung sind und ein Ausstiegsgesetz mit Gesamtlaufzeiten unter 30 Jahren her muss.

Die geplante Reform der Parteistruktur wurde in den vergangenen Tagen durch den Atomstreit aus den Schlagzeilen verdrängt. Das war den meisten führenden Grünen sehr recht. Trittin ist nicht der Einzige, der davon ausgeht, dass der Vorschlag des Bundesvorstandes zur teilweisen Vereinbarkeit von Amt und Mandat nicht durchkommen wird. Danach soll die Trennung für die Hälfte des Vorstands aufgehoben werden.

Der Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag, Fritz Kuhn, beschwerte sich heftig bei seinem Freund Joschka, dass der ihn im Zusammenhang mit der Strukturreform als neuen Vorsitzenden ins Gespräch gebracht habe: „Das ist keine schöne Situation.“ Wer als Wunschkandidat von Fischer gelte, habe keine großen Chancen, gewählt zu werden. Auch die Berliner Fraktionschefin Renate Künast ist sauer, weil sie von Fischer ins Spiel gebracht wurde. Sie hat es doppelt schwer, weil ihr eigener Landesverband gegen die Vereinbarkeit von Amt und Mandat plädiert.

Als Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer vor Journalisten die Tagesordnung des Parteitages vorstellte, meinte er süffisant: „Es wird spannend werden.“ Bereits im Vorfeld habe es Streit und „eine größerere Zahl offener Briefe“ gegeben: „Ich hoffe, es hat ihnen Spaß gemacht.“