Grüne Spitze unter Atomstrom

Auf dem heute beginnenden Parteitag der Grünen in Karlsruhe droht eine Niederlage der Parteispitze im Konflikt um den Atomausstieg. Weiteres Streitthema sind geplante Panzerexporte in die Emirate

BERLIN taz ■ Heute beginnen die Grünen ihren Parteitag in Karlsruhe. Brisantester Punkt auf dem Treffen wird der Leitantrag zum Atomausstieg sein. Zündstoff erhält der Parteitag durch die Tatsache, dass auch die jüngsten Gespräche mit der Atomindustrie keinen Fortschritt gebracht haben. Am vergangenen Dienstag sind Vertreter des Umweltministeriums und der Atomkonzerne bei ihren Verhandlungen nicht weitergekommen. Erst in der kommenden Woche soll nun über die Gesamtlaufzeit der AKWs verhandelt werden.

Umweltminister Jürgen Trittin muss damit rechnen, dass sein Leitantrag zum Atomausstieg vom Parteitag nicht angenommen wird. Denn: Viele Grüne haben das Gefühl, dass sich die Regierung von der Atomindustrie schon viel zu lange hinhalten lässt. Noch vor wenigen Monaten hatten der Umweltminister und der grüne Bundesvorstand versprochen, bis zum Parteitag werde ein Ergebnis der Gespräche vorliegen. Falls die Verhandlungen gescheitert seien, müsse die Delegiertenkonferenz über ein Gesetz zum Atomausstieg im Dissens entscheiden.

Doch Jürgen Trittin wird den Delegierten nun doch kein Ausstiegsgesetz, sondern nur einen Leitantrag vorlegen. Darin steht nach Informationen der taz, dass die Geduld der Grünen bald erschöpft sei. Der Antrag enthält kein Ultimatum an die Industrie. Jürgen Trittin steht allerdings unter Zeitdruck. Bereits im Mai wird die Atomindustrie voraussichtlich die Genehmigung für Atommüll-Lieferungen aus dem französischen La Hague ins Zwischenlager Gorleben beantragen. Bis dahin muss der Konsens in trockenen Tüchern sein, sonst wird die Anti-Atom-Bewegung zu Massenprotesten gegen die Transporte und den grünen Umweltminister aufrufen.

Außenminister Joschka Fischer versuchte gestern noch, Änderungswünsche für den Leitantrag durchzusetzen, weil ihm der Vorschlag Trittins zu undiplomatisch erschien. Doch die Basis ist da anderer Meinung. Jochen Flasbarth etwa, Chef des Naturschutzbundes, der als Gastredner zum Parteitag kommt, plädiert für ein Ausstiegsgesetz mit Gesamtlaufzeiten unter dreißig Jahren. Flasbarth war von Anfang an der Meinung, dass die Konsensgespräche mit der Industrie nichts bringen würden. Er wird auch den Zusammenhang mit der Hermes-Bürgschaft für das AKW in China herstellen, die er für einen „Sündenfall“ hält. Vor wenigen Tagen hatten die grünen Bundestagsabgeordneten aus der taz erfahren, dass der grüne Außenminister einer Hermes-Bürgschaft für den Neubau eines Atomreaktors in China zugestimmt hat. Fischer wird sich nun auf dem Parteitag vor den Delegierten rechtfertigen müssen. Er soll dies bereits heute Abend tun. Danach ist eine Aussprache zur Lage der Partei vorgesehen. Die Mitglieder des für die Parteitagsregie verantwortlichen Bundesvorstands hoffen, dass sich die Delegierten heute bereits allen Ärger von der Seele reden. Morgen – so das Kalkül – solle die Debatte über den Atomausstieg und die Strukturreform dann in einer nüchternen Atmosphäre über die Bühne gehen.

Einen Tag vor Beginn des Parteitags ist nun noch ein weiteres Streitthema aufgetaucht: die beantragte Lieferung von 64 Fuchs-Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit Sicherheit wird es auf dem Parteitag verschiedene Anträge zu dem umstrittenen Export geben. Eine Voranfrage der Emirate über 28 Panzer wurde bereits im Januar 1999 vom Bundessicherheitsrat positiv beschieden. Im Oktober gab es dann eine weitere Voranfrage, über die der geheim tagende Rat noch nicht abgestimmt hat. TINA STADLMAYER

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