Minimalistischer Riese

■ Der Puppenspieler Hans Krüger verwüstete im Theatrium allerliebst Märchen und Flugzeuge

Ach, Rotkäppchen. Wie viele Kinderohren mussten sich schon diese Gutmenschgeschichte vom unschuldigen Herzchen anhören, dass vor lauter Omaliebe kaum geradeaus blicken kann, im Wald an ein verkommenes Wolfssubjekt gerät und später nur dank eines pfiffigen Jägers mitsamt der halb verdauten Oma den gierigen Magensäften des Wolfes entkommt. Hans Krüger, Puppenspieler aus Berlin, wusste im Theatrium eine andere, etwas weniger idyllische Version des Märchenklassikers zu erzählen.

Rotkäppchen, dumm wie Brot und in etwa so zierlich wie eine Schrankwand, trifft auf einen schrägen, hässlichen und deprimierten einäugigen Wolf, dem der Sinn nach Rebellion steht. Nicht er, sondern all die anderen sollen am Ende der altbekannten Geschicht' zur Abwechslung mal die Blöden sein und dem Wolf als appetitliche Leichen zum Dessert gereicht werden. Doch Märchen sind zäh. Der Plan misslingt, weil Rotkäppchens Oma sich als unverdauliche, herzinfarktgefährdete Schwarzenegger-Mutante mit Schlafhaube entpuppt, die auch Enkelkinder zum Erwürgen gern hat.

Diese ruppige Rotkäppchen-Variante setzte Krüger mit einfachsten Mitteln und feinem Gespür für Timing und Gesten um. Zwei grobschlächtige Puppen, ein tumber Jägerholzkopf im Jackenärmel und eine rostige Metallkiste – mehr brauchte es nicht, um Rotkäppchen mitsamt Personal virtuos zu verwüsten. Auch den Rest des Abends bestritt der Dozent an der Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule in diesem Stil; minimale Ausstattung, gepaart mit hohem Spaßfaktor.

Nur eines Schuhs und einer Ansammlung von Fliegerbrillen bedurfte es, um eine abstruse Ost-Berliner Geschichte zu erzählen, die mit einer verschimmelten Badehose beginnt, in einem Stinnes Baumarkt Zwischenstation macht und schließlich eine dreiviertel Stunde später über den Wolken in einem vollgekotzten und selbst gebastelten Flugzeug ihrem Höhepunkt entgegen deliriert. Dazu brüllt, lispelt, gurgelt und pfeift Krüger, was die Stimmbänder hergeben, lässt zudem weder in der Höhe noch in der Breite auch nur einen Winkel der winzigen Bühne unberührt und animiert zwischendurch das Publikum immer wieder mal dazu, die Geräuschkulisse des Bremer Hafens zu erzeugen.

Das alles ist schlicht allerliebst und wird gegen Ende noch gekrönt durch quetschkommodenuntermalte Shantys und Chansons, in denen sich „Frau Baron“ auf „Ejakulation“ reimt. Eine Rampensau nennt man so einen. Aber eine ganz nette! zott

Heute, 20 Uhr, Theatrium (Wüste Stätte 11). Karten: 32 68 13