Betr.: Berliner Volkskämmerer

Christa Luft (PDS) war 1990 Wirtschaftsministerin in der DDR und ist im Bundestag

Wir sind nie so unter die Gürtellinie gegangen, wie das heute der Fall ist“, erinnert sich Christa Luft. In der letzten Volkskammer sei es wesentlich kulturvoller zugegangen als im Bundestag. „Heute zählen böse Attacken mehr als Argumente.“

Christa Luft ist Attacken gewöhnt. Ob ihrer Biografie stand die PDS-Politikerin immer wieder unter Beschuss. Schon 1958 trat die Ökonomin der SED bei, 1971 wurde sie Professorin für sozialistische Außenwirtschaft an der Ost-Berliner Hochschule für Ökonomie (HfÖ), deren Rektorin sie später wurde. Im Modrow-Kabinett war sie Wirtschaftsministerin der DDR.

Nach dem 3. Oktober schied sie zunächst aus der Politik, ging an die HfÖ zurück. „Ich wollte sehen, was ich unter den veränderten Bedingungen zu leisten vermag“, sagt Luft. Viel gelang ihr zuerst nicht – neun Monate später war die Hochschule abgewickelt. 1994, als die PDS um den Einzug in den Bundestag bangen musste, ließ sich Luft überreden, zu kandidieren. Was den Sozialisten prompt den Wiedereinzug sicherte: Luft errang in Friedrichshain ein Direktmandat.

„Wer aus der Wissenschafft kommt, hat es schwer in der Politik“, sagt die 62-Jährige. Schließlich entscheiden in der Politik Mehrheiten und die brauchen keine Argumente. Insgesamt sind für Christa Luft daher die Unterschiede zwischen Volkskammer und Bundestag gar nicht so groß. „Die PDS war damals für alles Übel verantwortlich und ist es heute wieder.“

Was könnte die Lehre der Volkskammer sein? Christa Luft muss ein bißchen überlegen. „Das Verbindende aller Abgeordneten“, sagt sie dann, „sollte wieder das Bewusstsein sein, dass wir von Menschen gewählt wurden, für die wir auch zu sorgen haben. Wenn sich alle dieser Tatsache bewusst sind, wird es auch wieder mehr Achtung untereinander geben“. NICK REIMER