Auch Börsen im Fusionsfieber

Aus Brüssel, Amsterdam und Paris wird ein gemeinsamer Finanzplatz. Damit ist Frankfurt nur noch Platz drei in Europa hinter London und dem neuen Trio

BRÜSSEL taz ■ Die Börsen in Paris, Amsterdam und Brüssel fusionieren zur ersten grenzüberschreitenden Börse Europas. Unter dem Dach der International Exchange (IEX) soll diese Allianz schon in Kürze eine Achse bilden. Die Führung des gemeinsamen Vorstands wird der französische Börsenvorsitzenden Jean-François Théodore übernehmen.

Théodore hat am Wochenende mit seinen zukünftigen Vorstandskollegen, George Möller (Amsterdam) und Olivier Lefebvre (Brüssel) die Pläne im Detail beraten und will das Vorhaben heute in London vorstellen. Das ungleiche Börsentrio bildet nach Auskunft eines belgischen Bankers nur einen ersten Schritt. Auch in Madrid werde eine Beteiligung diskutiert. Der Investmentbanker erklärte, mit einer Fusion nähere sich der europäische Handel einem System mit nur zwei Börsen, das dann mit dem der USA vergleichbar wäre.

Gleichzeitig versteht sich die Initiative offenbar als Antwort auf den wachsenden Börsenplatz in Frankfurt und die stockenden Verhandlungen um eine Allianz der acht europäischen Börsenplätze in Amsterdam, Brüssel, Frankfurt, London, Madrid, Mailand, Paris und Zürich.

Die acht hatten bislang die Schaffung einer gemeinsamen Handelsplattform für November geplant; zuletzt hatte Frankfurt mit Plänen für einen eigenen Börsengang der Börsengesellschaft und einer Verlängerung der Handelszeiten die Partner vergrätzt.

Die Gespräche mit den verbleibenden fünf Börsen sollen jedoch nach der Fusion fortgeführt werden. Grundlage für die Bildung des französisch-niederländisch-belgischen Gespanns, IEX, soll ein untereinander kompatibles Börsensystem sein sowie eine Aufgabenteilung: In Paris sollen die großen Standardwerte notiert werden, die bislang noch in Amsterdam und Brüssel gehandelt wurden. Amsterdam übernimmt ganz den Handel mit Derivaten (Optionen und Futures), und in Brüssel werden kleine und mittlere Unternehmen mit hohen Wachstumserwartungen notiert. „Das Hauptquartier soll in Paris liegen, aber der Gründungsort spielt eigentlich keine Rolle mehr“, sagte ein Verhandlungsbeteiligter. Brüssel werde mit rund 5 Prozent am Handelsvolumen nur noch eine geringe Rolle spielen. Vielmehr werde IEX zügig internationale und sektorale Indexe lancieren, so die belgische Wirtschaftszeitung Tijd.

Die Fusionsidee nahm ihren Anfang in Gesprächen mit dem in Brüssel ansässigen weltweit größten Börsenkontrollhauses Euroclear über gemeinsame Notierungssysteme als Gegenstück zur Allianz Deutsche Börse/Cedelbank. Euroclear gilt nun als wahrscheinliches administratives Zentrum der neuen Allianz. Wenig unverhohlen kommentierten belgische Zeitungen gestern, Deutschland habe zwar die „Karte Cedel“ gespielt, Frankreich habe sich jedoch in dieses Spiel nicht einfügen wollen und Paris nun darum die „Karte Euroclear“ zurückgespielt. Auch in Amsterdam sei man über die Vereinbarung sehr zufrieden.

Einige Marktteilnehmer zeigten sich im Gegensatz zur euphorischen belgischen Presse von der Fusion wenig beeindruckt. Pierre Richard, der Vorstandsvorsitzende der transnationalen Dexia-Gruppe, sagte: „Ob Dexia nun in Brüssel oder anderswo notiert sei, ändert am Aktienkurs der Gruppe wenig.“

Auch der Vizevorsitzende des Fortis-Versicherungs-Komplexes, Maurice Lippens, erklärte nüchtern, „eine derartige Entwicklung passt in den unvermeidlichen Prozess“.

Die Börse in Frankfurt muss ihren zweiten Platz nach dem Londoner Finanzplatz, gemessen am gemittelten Börsenkapital vom 31. Januar 2000, für die IEX räumen. Die bringt gut 1.300 Milliarden Euro mehr auf die Waage. Peter Sennekamp