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Monsterbaby verschlingt Telefon

■ Das Theater in der Washingtonallee erweist sich als zu viel klein für Irina Liebmanns DDR-Parabel „Quatschfresser“

„Los, gehn wir nach oben!“ fordert der Bauarbeiter Paul (Helmut Fuchs) die Zuschauer auf, nachdem er denen von seiner trostlosen Kindheit erzählt hat. Der Schauplatz wechselt, von der engen Keller-Bar gehts in den eigentlichen „Theater-saal“, in dem gerade mal 40 Zuschauer Platz finden. Effektvoll beginnt Werner Kuskes Inszenierung des Stückes Berliner Kindl von Irina Liebmann, das im Theater in der Washingtonallee unter Quatschfresser firmiert. Die (Ost-)Berliner Autorin schrieb den Text zwischen 1980 und 1987, als sich das Gefüge der DDR bereits aufzulösen begann; ihre Figuren spiegeln den Zerfall von Strukturen und Werten.

Die Geschichte ist hinlänglich absurd. Den Quatschfresser (Konrad Stöckel) muss man sich vorstellen als monsterartiges Riesenbaby. Er stopft gierig Dinge wie Telefonhörer, auf ihn gerichtete Finger oder die Scheidungsurkunde seines Erzeugers Paul in sich hinein. Alles gerät aus den Fugen – bis dem Paul nichts mehr bleibt. Seine Frau Hilde (Hausherrin Angelika Landwehr) will ihn nicht wieder zurück, und die Freundin Angelika (Claudia Buchholz) hat ihn ebenfalls über. Paul ist nur noch Quatsch – und wird als solcher folgerichtig gefressen.

Leider hat die Inszenierung viel mehr Appetit, als ihr zuträglich ist. Sieben Darsteller, allesamt sehr überzogen agierend, erweisen sich rasch als viel zu viele für die winzige Bühne. Allein zwei Holztische bilden die Kulisse, und nach jeder Szene werden sie neu in Position gerückt – ein Setting, das nicht zu überzeugen weiß. Und so vermittelt sich auch das ehemals subversive Potential des Textes nicht. Aber schon im Programmheft wird der Abend ja als „Wagnis“ angekündigt, der „den Rahmen des kleinen Theaters zu sprengen droht“. Wie wahr.

Kathrin Dietzel

noch bis Ende April, Do - Sa, 20 Uhr, Theater in der Washingtonallee, Washingtonallee 42

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