Rechte Wahlkampfnachwehen

Ein mit brauner Farbe beschmiertes Wahlplakat der „Republikaner“ beschäftigt bis heute die Gerichte

Im Bundestagswahlkampf 1998 gab es so viel zerstörte Plakate wie nie zuvor – quer durch alle Parteien. Eines davon beschäftigt bis heute die Gerichte. Harry H. aus Hönow soll in den Abendstunden des 7. September 1998, gut zwei Wochen vor der Wahl, in Hellersdorf ein Wahlplakat der „Republikaner“ mit brauner Farbe beschmiert haben. Weil der 57-Jährige gegen den Strafbefehl über 800 Mark Widerspruch eingelegt hatte, wurde die Sachbeschädigung gestern vor dem Landgericht verhandelt. Harry H. erklärte: „Ich war zur Tatzeit zu Hause.“

Angezeigt wurde der Fall von einem 22-jährigen Hellersdorfer, der gestern als Zeuge aussagte. Der junge Mann – mit Springerstiefeln, dunkelblauem Matrosenhemd, kahl rasiertem Schädel und schwarzen Lederhandschuhen in der Hand – hatte Harry H. noch am selben abend identifiziert. Auf die Frage des Staatsanwalts, ob er den „Republikanern“ nahe stehe, sagte der Zeuge: „Nein, aber ich bin von zu Hause aus so erzogen, gegen Demokraten, die undemokratisch sind, vorzugehen.“ Nachdem ein Freund von ihm das Kennzeichen des Autos aufgeschrieben hatte, in dem die vermeintlichen Täter, ein Mann und eine Frau, weggefahren waren, und die Polizei den Halter ermittelt hatte, bekam Harry H. gegen Mitternacht Polizeibesuch. Die Gegenüberstellung verlief so, dass ein Polizeiwagen mit dem Zeugen die unbeleuchtete Straße vor Harry H.s Grundstück entlangfuhr und den vermeintlichen Täter aus der Ferne identifizierte.

Der Staatsanwalt kritisierte zwar, dass es keine Gegenüberstellung war, „die den Regeln der Kunst entspricht“. Trotzdem stehe fest, dass Harry H. einer der Täter sei, nachdem er von zwei Zeugen identifiziert worden war. Der Staatsanwalt räumte weiterhin ein, dass es „eine geringfügige Tat“ sei. Aber weil es sich um ein politisches Wahlplakat handele, sei die Tat nicht banal. Der Staatsanwalt betonte, dass ihm persönlich rechtsradikale Parteien nicht lägen. Aber die „Republikaner“ seien eine zugelassene Partei, und deshalb dürften sie Werbung machen. „Das hat man hinzunehmen, ob es einem gefällt oder nicht.“

Unter den Zuschauern war auch Reinhard Schult, Mitbegründer des Neuen Forums und Freund des Beschuldigten. Schult war 1997 in der Uckermark von Rechten zusammengeschlagen worden – ein Überfall, der nie aufgeklärt wurde. „Mit so einem Mist beschäftigt sich die Justiz“, kritisierte er, „und für andere Delikte haben sie keine Leute.“ Weil Harry H. gestern ankündigte, Beweise dafür zu bringen, dass er zur Tatzeit zu Hause war, wird das Verfahren nun am 31. März fortgesetzt.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA