Die EU schweigt

In der UN-Menschenrechtskommission beziehtdie EU Stellung zu China, indem sie nichts sagt

BERLIN taz ■ Mit Schweigen wollen die EU-Außenminister jetzt die chinesische Regierung zum Schutz der Menschenrechte dränge. „Die Entwicklung der Menschenrechte in China gibt zu großer Besorgnis Anlass“, lautet nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen die einhellige Meinung der EU-Außenminister. Sie berieten am Montagabend in Brüssel über eine gemeinsame europäische Position gegenüber China in der UN-Menschenrechtskommission.

Wie die taz erfuhr, zeichnet sich ein Konsens der 15 EU-Staaten ab, über dessen Inhalt aber Stillschweigen vereinbart worden sei. Seit Wochenbeginn ist die UN-Kommission wieder in Genf zu ihrer jährlichen sechswöchigen Sitzung zusammengekommen. Im Mittelpunkt steht die Lage in Tschetschenien, China und Jugoslawien.

Schon vor Wochen hatte die US-Regierung angekündigt, dass sie dieses Jahr mit einer eigenen Resolution eine Verurteilung Pekings erreichen wolle. Im vergangenen Jahr hatte Washington erst sehr spät eine solche Resolution eingebracht und war damit gegen das wochenlange Lobbying der chinesischen Regierung chancenlos. Chinas Delegation, die in Genf mit einem umfangreichen und hervorragend vorbereiteten Stab vertreten ist, konnte sich sogar mit einem Nichtbefassungsantrag gegen die USA durchsetzen.

Jetzt will die Regierung Bill Clintons das mit Peking im November vereinbarte Abkommen über Chinas WTO-Beitritt durch den US-Kongress bekommen. Dessen Zustimmung, die im laufenden Wahlkampfjahr schwer zu erhalten sein wird, versucht sie sich mit einer harten Haltung gegenüber China in der Menschenrechtsfrage zu erkaufen. Nach außen verweist Washington auf eine deutliche Verschlechterung der Menschenrechtslage in China, die sich zum Beispiel am Vorgehen gegen Falun-Gong-Anhänger zeige.

Das offizielle Schweigen der EU-Staaten zu Beginn der Kommissionssitzung könnte auf eine härtere Haltung der Europäer hindeuten. Man wolle sich möglichst spät äußern, um Druck auf China auszuüben, lautet die neue Strategie. Seit drei Jahren hat die EU keine eigene China-kritische Resolution mehr eingebracht. In den Vergangenheit scheiterten alle Resolutionen, 1995 fehlte allerdings nur eine Stimme. Heute Nachmittag will Bundesaußenminister Joschka Fischer in Genf vor der Kommission sprechen, morgen US-Außenministerin Madeleine Albright. SVEN HANSEN