Feuchte Träume vom großen Geld

Immer mehr Kommunen privatisieren ihre Wasserbetriebe, um Geld zu sparen. Das ist riskant, und der Kunde zahlt drauf

aus KölnWERNER RÜGEMER

Ende Februar diesen Jahres beschloss der Kölner Rat, die vier Klärwerke der Stadt und den größten Teil des Kanalnetzes im Wert von 1,3 Milliarden Mark für 25 Jahre an eine Briefkastenfirma auf den Cayman Islands zu verpachten – und wieder zurückzumieten. Die Briefkastenfirma in der Karibik ist die „Zwischengesellschaft“ eines US-amerikanischen Investors, der auf diesem Weg viel Steuern spart, und 54 Millionen Mark fließen an die Stadt Köln zurück. Auf den ersten Blick ein cleveres Geschäft für die Kölner. Den Namen der Briefkastenfirma und des US-Investors aber kennen die Ratsmitglieder nicht. Sie wissen nicht, an wen sie eigentlich welche Rechte abgegeben haben. Aber immerhin: Die Kölner spielen jetzt mit beim globalen Wasser-Monopoly.

Die weltweiten Wasservorräte werden knapp und sind ungleich verteilt. Etwa zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem und ausreichendem Wasser. Giftige Industrieabwässer gelangen in vielen Entwicklungsländern ungereinigt in den Wasserkreislauf. Jährlich sterben etwa fünf Millionen Menschen an verseuchtem Wasser. Bei den meisten Regierungen und auch Kommunen hat sich die Überzeugung durchgesetzt: Jetzt kann nur noch die Privatwirtschaft helfen. Damit sind sie auf einer Linie mit dem Welt-Wasser-Forum, das heute am Welt-Wassertag in Den Haag zu Ende geht.

Die Großbanken rennen den Kommunen die Türen ein und bieten private Finanzierungs- und Leasingmodelle an. Die Schweizer Bank Pictet hat den ersten Wasser-Investmentfonds aufgelegt.

Die Global Player sind Suez-Lyonnaise, Vivendi (Frankreich), Thames Water, Severn Trent (England) und Enron (USA). Elektrounternehmen wie RWE und VEW haben Tochterfirmen für Trinkwasserlieferung und Abwasserreinigung gegründet. Da beim Abwasser die Rendite höher ist, werden die Kommunen vor allem hier mit dem Versprechen, Kosten zu sparen, dazu gebracht, den Betrieb ihrer Wasserbetriebe Privaten zu überlassen.

Suez-Lyonnaise hat letzte Woche ihre Planung bis 2004 verkündet: In Europa, Asien, Afrika und Amerika sollen 10.000 Kläranlagen betrieben, 100 Millionen Privathaushalte und 60.000 Industriekunden bedient werden. Suez-Lyonnaise baut oder betreibt die Kläranlagen etwa von Manila, Budapest, Saigon, Indianapolis und Potsdam. Gewinnerwartung: 26 Milliarden Mark bis 2004.

Gleichzeitig organisieren sich die Global Player als so genannte „Multi-utility-Konzerne“ mit eigenen Geschäftsbereichen etwa in der Telekommunikationsbranche. Die Abwasserkanäle bieten sich an, Telefon- und Datenkabel darin zu verlegen. Suez-Lyonnaise ist deshalb schon am TV-Sender Paris Premiere und am Satellitenprogramm TPS beteiligt. Längst globalisiert ist der Mineralwasser- und Limonadenmarkt. Auf ihm tummeln sich Multi-utility-Player wie der Marktführer Nestlé oder Danone. Auch Coca-Cola und Pepsi fördern auf verschiedenen Kontinenten Grundwasser und bringen es weltweit als unterschiedlichste Erfrischungsgetränke auf den Markt.

Wer als privater Investor ins Wassergeschäft einsteigt, will vor allem eins: Geld verdienen. Fragen der Qualitätssicherung treten dabei in den Hintergrund. Die bestehenden Wassermultis sind von den zuständigen Behörden schon jetzt kaum noch zu kontrollieren. Ein weiteres Problem: technische Innovationen sind nicht willkommen. Ingenieurtechnisch steht die Abwasserreinigung derzeit vor einem Innovationsschub: Dezentrale Systeme und Pflanzenkläranlagen selbst für Industrieabwässer sind inzwischen serienreif. Sie sind billiger und effektiver als die großen Betonsysteme, aber bei den marktbeherrschenden Unternehmen nicht beliebt – sie versprechen weniger Gewinne.

Zahlen muss letztlich der Wasserkunde die Privatisierungexperimente der Kommunen. Der Verband der privaten Abwasserentsorger Deutschlands (VpA) wirbt zwar mit dem Slogan: „Private können Abwasser billiger entsorgen als öffentliche Betriebe.“ Doch obwohl inzwischen etwa siebzig Kommunen ihr Abwasser durch Private entsorgen lassen: Angaben zur Gebührenentwicklung will der VpA nicht machen. „Wir führen keine Statistik“, erklärt Geschäftsführer Friedemann Koch. Doch billiger wird die Wasserentsorgung anscheinend nicht, zumindest für den Endverbraucher. Im Gegenteil: In Krefeld, der größten privat betriebenen Kläranlage Deutschlands, haben sich die Gebühren seit 1990 vervierfacht.

Besonders hart trifft es die Bürger in Ostdeutschland. Viele Kommunen haben sich viel zu große Kläranlagen andrehen lassen. Sie hatten alle Hoffnungen auf einen schnellen Aufschwung im Osten gesetzt. Am Bedarf der Verbraucher ging das oft vorbei. Mehrere private Betreiber mussten inzwischen Konkurs anmelden, während die Kunden die Zeche mit astronomischen Abwassergebühren bis zu 16 Mark pro Kubikmeter bezahlen müssen.

Einige private Investoren werden noch mit staatlichen Sanierungshilfen über Wasser gehalten – eigentlich nicht der Sinn von Privatisierung. Seit Monaten zieht sich etwa der längst fällige Konkurs des Entsorgers AWEG im Zweckverband Emster (Brandenburg) hin. Der angeschlagene Frankfurter Baukonzern Holzmann hatte die Kläranlage in Emster gebaut und dann zusammen mit der Bassmann AG und den Kommunen die AWEG gegründet. Allein die Bassmann AG hatte dafür 44 Millionen Mark von privaten Kapitalgebern zur Verfügung gestellt bekommen. Die Investoren wurden mit einer abgeblichen Rendite von bis zu 15 Prozent gelockt. Letzte Woche hat die Bassmann AG beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Konkurs angemeldet.

Auch internationalen Vorreitern der Wasserprivatisierung ist inzwischen unwohl geworden. Die englischen Aufsichtsbehörden haben im November 1999 Preissenkungen angeordnet, nachdem die privaten Wasserfirmen in den letzten Jahren allzu forsch zugelangt haben. Die niederländische Regierung will im Herbst 2000 die Wasserprivatisierung verbieten – die öffentliche Meinung war umgeschlagen, als im letzten Jahr Trinkwasser mit Legionellen verseucht war. Der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller hat inzwischen sein Vorhaben, den Wassermarkt zu deregulieren, vorerst zurückgestellt.