: Das Versagen der Grünen besiegelt
betr.: Berichte zum Parteitag der Grünen in Karlsruhe, taz vom 20. 3. 00
Eure Berichterstattung zur BDK der Grünen in Karlsruhe (zum Beispiel Seite 3, Tina Stadlmayer) ist gespickt mit inhaltlichen Fehlern, polemisch und manipulativ: Von einer „überwältigenden Mehrheit“, einer „fast geschlossenen Unterstützung der Linie des Umweltministers“ in Sachen Atomausstieg kann keine Rede sein. Eine knappe Mehrheit von 53,7 Prozent der Delegierten sprach sich letzlich für eine Unterstützung des Kurses des Bundesvorstands aus (396 von 737 Stimmen). Dies am Ende einer kontroversen Debatte, deren Entscheidung letztlich Spitz auf Knopf stand. [...]
Entsprechend gebt ihr auch die Stimmung im Saal und die Abläufe unzutreffend wieder. „Nur wenige Atomkraftgegner stehen mit saurer Mine am Rande des Saales.“ Völliger Quatsch. Gut die Hälfte der Delegierten war schwer enttäuscht, ergänzt durch die zahlreichen anwesenden Anti-AKW-Aktivisten. Zur Rede Wolfgang Eisenbergs von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg schreibt ihr: „Schweigen schlug ihm entgegen ... (er) erntete wenig Beifall und einige Buhrufe.“ Absurd! Gerade seine eindringliche Rede führte den Delegierten vor Augen, welche politische und moralische Verantwortung auf ihnen lag. Eisenberg war einer der wenigen Redner, der unter Applaus des Saales seine Redezeit überschreiten durfte. Falsch ist die Behauptung, Befürworter des Sofortausstiegs hätten ihre Anträge „unerwartet fallen lassen“. Das Abstimmungsprozedere bedingt nun einmal, für eine Schlussabstimmung zwischen der Linie des Bundesvorstands und einem Gegenantrag viele Einzelanträge zusammenzufassen.
Zum Kotzen sind Polemiken wie die von Patrik Schwarz, der die inhaltliche Position der Atomkritiker als „alte Indianerweisheiten“ lächerlich macht und dann nachtritt: „Die Mehrheit zeigte wenig Sinn für linksalternative Kalendersprüche der Siebzigerjahre.“ Das ist mehr Ignoranz, als von einem CDU-Mitglied, das in der Pressestelle der Atomlobby arbeitet, zu erwarten wäre. [...] Der 18. März 2000 besiegelt das Versagen der Grünen an ihrer historischen Aufgabe des Atomausstiegs. Beschlossen wurde eine halbherzige Absichtserklärung für das langsame Auslaufen der Atomenergie innerhalb eines Zeitrahmens, der niemandem wehtut. Den eingetretenen Wesenswandel der Grünen markiert, dass sie am Ende wirklich glauben, einen Technologiewandel, gar einen „Ausstieg“ eingeleitet zu haben. In Wirklichkeit besiegeln sie ihre Rolle als Verkaufspersonal der SPD. Von Ausstieg kann keine Rede sein: Gebeugt wurde sich dem ökonomischen Diktat der Atomindustrie, das den Schutz ihrer Pfründen vor den Schutz der Bevölkerung vor einer tödlichen, sozial unverträglichen und volkswirtschaftlich abenteuerliche Kosten verursachende Technologie stellt. [...] Der Parteitag tanzte entsprechend einer Inszenierung eines mafiosen und die persönlichen Interessen stets im Auge behaltenden Präsidiums/Bundesvorstands. [...] TARIK AHMIA, Delegierter auf
der 14. BDK in Karlsruhe für den Landesverband Berlin
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