Zwangs-Tschador statt Fälscherwerkstatt

■ Ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes erlaubt Zwangsfotografien für ausreisepflichtige Iranerinnen / Auch in Bremen drohen Zwangsmaßnahmen

Bislang hat die Bremer Ausländerbehörde Kopftücher für iranische Pässe nur am Computer retuschiert. In Nürnberg ging man weiter: Ausreisepflichtige Iranerinnen wurden per Zwangsmaßnahme und unter Einsatz von Polizeigewalt mit Tschador fotografiert. Denn der Iran erlaubt die Einreise nur, wenn die Iranerinnen auf dem Passbild den Tschador tragen. Solche Zwangsfotos hat jetzt das Bayerische Verwaltungsgericht gebilligt. Auch in Bremen und Bassum könnten daraufhin jetzt zwei Iranerinnen zum Fototermin gezwungen werden.

Das Bremer Innenressort habe gar kein anderes Gerichtsurteil erwartet, kommentierte gestern Pressesprecher Hartmut Spieseke: „Wenn jemand ausreisepflichtig ist, dann ist er auch verpflichtet daran mitzuwirken.“ Und wenn sich die Frau weigere, Fotos mit Kopftüchern abzugeben, seien Zwangsmittel im Grundsatz möglich. Damit drohten auch der Iranerin Djamileh B., deren retuschierte Fotos inzwischen wieder vernichtet wurden, Zwangsmaßnahmen.

Für den Internationalen Menschenrechtsverein ist das Urteil des Bayrischen Verwalungsgerichts eine „ganz neue Entwicklung“. Bislang hätten die Behörden wohl abgewartet, wie das Gericht entscheiden würde, erklärte Mitarbeiterin Stefanie Wansleben. Aber jetzt könnte das „von Fortschrittlichkeit nicht gerade geprägte“ Urteil auch in Bremen Nachahmer finden, fürchten auch die Anwälte von Djamileh B. Nach den „hanebüchenen Methoden“ der Bremer Ausländerbehörde, die Passfotos zu manipulieren, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch Zwangsmaßnahmen ergreifen könnten, meint ihr Rechtsanwalt Christian Haisch: „Im Schachspiel ist jetzt die Behörde dran.“

Der Internationale Menschenrechtsverein und auch der stellvertretende Ausländerbeauftragte Bremens hoffen jetzt, dass das Bayrische Urteil angefochten wird. „Wir stehen dort in Kontakt mit der Anwältin,“ erklärt Stefanie Wansleben. Und die überlege, ob sie eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht beantrage.

Für Anselm Dworak, stellvertretender Ausländerbeauftragter, ist es total unverständlich, dass die Visumsbestimmung eines Staates höher gestellt wird als das Grundgesetz, das die Religionsfreiheit mit einschließe. „Ich halte es für überhaupt nicht nachvollziehbar, dass den Frauen dieses Symbol, wogegen sie im Iran gekämpft haben, jetzt aufgesetzt wird.“

Unverständlich sei auch, dass in Süddeutschland die Gerichte einmal, Kopftücher vorschreiben. Aber gleichzeitig Berufsverbot für Lehrerinnen erlassen, wenn sie den Tschador tragen wollen. „Das passt doch nicht zusammen“, meint Dworak.

In Bassum droht derzeit ein ähnlicher Fall: Bis Ende März muss die Iranerin Behnaz Z. Fotos mit Kopftüchern vorlegen. Die 40jährige sieht das als Verstoß gegen die Würde als Frau und will normale Passfotos abgeben. „Es bleibt abzuwarten, wie sich die Behörden dann verhalten werden“, meint Wansleben. Es gebe aber eine breite Kampagne und Unterschriftenaktionen für eine Aufenthaltsgenehmigung der Iranerin.

Bei Djamileh B. wird es möglicherweise erstmal um die retuschierten Fotos gehen. Ihre Anwälte haben Strafanzeige gegen die Beamten in der Ausländerbehörde gestellt. Derzeit ermittelt noch die Staatsanwaltschaft. Deren Bericht wird nächste Woche erwartet. pipe