Senatoren, hört die Signale!

Die Krise der Berliner Politik hat weder in der Kultur angefangen, noch hört sie dort auf. Der Rücktritt von Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) muss ein Warnsignal für ihre SenatskollegInnen sein – oder eine Aufforderung zur Nachahmung

von BARARBA JUNGE

Ein überraschender Rücktritt, eine Sondersitzung des Parlaments, ein Streit mit der Bundesregierung und eine Koalition am Ende ihrer Weißheit. Die scheinbar so ruhige und harmonische Koalition von SPD und CDU steht vor dem Bankrott.

Christa Thoben hat es am Donnerstagabend amtlich gemacht: Der Spagat, den die Berliner Regierung derzeit zur offiziellen Politik erhoben hat, muss scheitern. Und zwar nicht nur im Kulturbereich, diese Erkenntnis hinterlässt Christa Thoben.

Vor wenigen Tagen war der Regierende Bürgermeister in Kenntnis gesetzt worden, am Donnerstagabend erfuhr es auch die Öffentlichkeit: Christa Thoben, der prominente Neueinkauf aus der Bundes-CDU, tritt zurück. Begründung: „Mit den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mitteln sind die Aufgaben nicht zu beherrschen.“

Das Problem geht weit über die verflixte Kultur- und Wissenschaftslandschaft hinaus. Die soziale wie medizinische Versorgung der BerlinerInnen ist heiß umkämpft, in der Schulpolitik schlägt der Senator Kapriolen, die Umweltpolitik kämpft gegen Windmühlen, und die Personalpolitik ist im Grunde die vorderste Front der Verteilungskämpfe. Insgesamt stehen die Finanzen nicht nur vor dem Kollaps, sie kollabieren bereits. Der Senat ist ausgelastet mit einer eigentlich unverantwortbaren Sparorgie – und zugleich kämpfen die politisch Verantwortlichen um den Erhalt der tradierten Berliner Verhältnisse, nicht zuletzt aus machtpolitischen Gründen. Thoben ist von außen gekommen und hat nach einem Blick auf die Verhältnisse beschlossen: Da ist nichts zu machen.

Wahrhaben will man dies in der großen Koalition nicht. Thoben habe zu wenig Unterstützung aus ihrer eigenen Partei erfahren, heißt es aus der SPD, Thoben sei eine große Stütze gewesen, schiebt die CDU hinterher. Und Diepgen müht sich um den Anschein von Business as usual. Bis zum 13. April, ja da könne man die Wahl eines Nachfolgers anpeilen. Namen könne er zwar nicht präsentieren, aber es gebe sicher verschiedene Kandidaten. Ins Spiel gebracht wurden gestern bereits Christoph Stölzl, der frühere Direktor des Deutschen Historischen Museums und die CDU-Kulturpolitikerin Monika Grütters. Angesichts dessen jedoch, was Thobens Rücktritt signalisiert, dürfte die Nachfolgefrage eine sehr schwierige werden.

Entsprechende Reaktionen löste Thobens Schritt gestern denn auch jenseits des Senats aus. Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) bezeichnete den Rücktritt als einen „krachenden Kommentar zur Berliner Haushaltsführung, -klarheit und -wahrheit des Vorgängers im Amt und des Regierungschefs“. Der ehemalige Wirtschaftsminister und jetzige Berliner FDP-Politiker Günter Rexrodt griff gestern ebenfalls den Regierenden Bürgermeister an. „Die besten Leute, die wir haben, fühlen sich in diesem Senat offenbar nicht wohl. Das ist die Schuld von Herrn Diepgen“, sagte Rexrodt. Und der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, hoffte gestern: „Vielleicht besteht jetzt in der Krise endlich die Chance für ein Ende des jahrzehntelangen Berliner Miefs.“

Grüne und PDS haben jetzt eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses beantragt. Am Mittwoch wird sie stattfinden, einziger Tagesordnungspunkt: die Haushaltskrise und die große Koalition. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, begründete dies gestern, das Problem gehe weit über den Kulturhaushalt hinaus, „der Gesamthaushalt ist ein potemkinsches Dorf.“ Im nächsten Jahr klaffe wieder eine Lücke von sieben Milliarden Mark im Haushalt.

Der PDS-Fraktionschef Harald Wolf erklärte gestern, der Rücktritt habe das Haushaltsdesaster zur Anschauung gebracht. „Haushalte, die wie Kartenhäuser zusammenfallen, zeugen von einer verantwortungslosen Politik“, so Wolf. Er mahnte eine geänderte politische Prioritätensetzung und die Streichung von Luxusprojekten an.

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