Gerüchte – und auch ein wenig mehr ...

■ Die Konflikte rund ums Waldau Theater verschärfen sich. Verstärkt in der Kritik: die finanziellen Privilegien des Intendanten Michael Derda. Und in der undurchsichtigen Vergangenheit des Theaters lauert weiterer Sprengstoff

Auf der Bühne des Waldau Theaters feierte kürzlich die niederdeutsche Krimikomödie „Dat Geld liggt op de Bank“ Premiere. Der weitaus spannendere Krimi aber spielt sich momentan hinter den Kulissen ab. Denn je länger sich die Verhandlungen des finanziell angeschlagenen Waller Theaters mit der Stadt über den Verkauf der Spielstätte hinziehen und je klarer sich abzeichnet, dass das Theater interne Umstrukturierungen vorbereitet, an deren Ende sich so mancher Angestellte auf der Straße wiederfinden wird, desto mehr sprießen Gerüchte und Verdächtigungen gegen alle und jeden. Zugleich werden pikante Details offenbar, angesichts derer man sich nur noch wundert, warum das Theater nicht schon viel früher gegen die Wand gefahren ist.

Rekapitulieren wir zunächst den aktuellen Stand: Das Waldau Theater ist in akuter Liquiditätsnot und verhandelt zurzeit mit der Stadt über den Verkauf der Spielstätte. In der letzten Woche hat der Bremer Senat „zur Kenntnis genommen“, dass die stadteigene Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) ein Kaufangebot in Höhe von 2,4 Millionen Mark unterbreiten wird. Aus dem Erlös soll das Theater entschuldet und ein seriöser Weiterbetrieb ermöglicht werden.

Ein Verkauf der Immobilie an die Stadt ist nach wie vor unsicher

Doch darüber, ob Letzteres auf der Basis des BIG-Vertrages möglich ist, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Denn nach allem, was man hört, sieht der Vertrag unter anderem vor, dass die Waldau GmbH die Kosten der Instandhaltung des riesigen Theatergebäudes auch nach dem Besitzerwechsel selbst tragen soll. Neben der prognostizierten Miete von mindestens 250.000 Mark im Jahr müsste das Theater so weitere Kosten in etwa gleicher Höhe tragen. Wahlweise dazu wird kolportiert, die GmbH müsse die Zinsen für jenen Millionen-Kredit übernehmen, mit dem die BIG den Kauf des Gebäudes finanzieren will.

Verwaltung versagte bei Waldau-Kontrolle

Auch wenn der Waldau-Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Nölle und manche Zeitung in dieser Stadt seit Wochen nicht müde werden zu verkünden, der Vertragsabschluss mit der BIG stünde nichtsdestotrotz kurz bevor, sind Zweifel angebracht, ob das Theater zu diesen Bedingungen wirklich verkauft wird. Zumal so manchen Beteiligten inzwischen der Eindruck beschleicht, die Liquiditätsnot des Hauses werde seitens der Stadt ausgenutzt, um billig an eine Immobilie zu kommen und damit zugleich peinliche eigene Fehlleistungen in der Vergangenheit nachträglich auszubügeln.

In der Tat hat sich die Stadt durch eigene Mega-Blödheit in eine Situation manövriert, die einen prächtigen Nährboden für solche Verdächtigungen bietet. Denn Bremen hätte bei einem Konkurs der Waldau GmbH einiges zu verlieren. Wie die taz berichtet hatte, flossen in den letzten Jahren allein aus dem Wirtschaftsressort mindestens sieben Millionen Mark in den Umbau der privaten Theaterimmobilie, ohne dass das Ressort diese Investitionen vertraglich durch Grundbucheintragungen abgesichert hat. Aus einem internen Papier der Kulturbehörde geht hervor, dass ein Konkurs den ersatzlosen Verlust dieses Geldes und eine Suche nach Schuldigen nach sich ziehen würde. Und die säßen, heißt es in dem Papier weiter, eben auch in der bremischen Verwaltung. In der Tat hat sich die Verwaltung im Umgang mit dem Theater nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So hat etwa das Haushaltsreferat der Kulturbehörde, obwohl es rechtlich dazu verpflichtet ist, es seit Jahren versäumt, eine sogenannte Verwendungsprüfung über den korrekten Einsatz der behördlichen Zuschüsse im Waldau Theater durchzuführen. Auch nach dem Zuschussrecht hätte sich die Behörde bereits seit langem ein genaues Bild von den unglaublichen Missständen im Theater machen und so erheblich früher Maßnahmen gegen den drohenden Konkurs ergreifen können.

Denn auch im Theater selbst dominierte in der Vergangenheit offensichtlich das Chaos. Dem inzwischen abgewählten Geschäftsführer Helmut Zorn werden vom Aufsichtsratsvorsitzenden Ulrich Nölle große Versäumnisse in der Amtsführung bescheinigt.

Derda hat fürstliches Gehalt und nutzt Theaterauto als Dienstwagen

In der Tageszeitung „Die Welt“ stand zu lesen, der überforderte Zorn habe „Buchhaltung aus der Zigarrenkiste“ betrieben, so dass die unternehmerische Führung unkontrolliert in den Händen des zweiten Geschäftsführers und Intendanten Michael Derda gelegen habe. Zudem wird Zorn aus anderen Kreisen jahrelanges Duckmäusertum in Konfrontation mit dem allseits dominierenden Derda vorgeworfen.

Aber auch Michael Derda selbst gerät zunehmend in die Kritik. Ein Vorwurf lautet: Er zweckentfremde ein Fahrzeug des Theaters und nutze es als Dienstauto. Derda bestreitet den Vorgang nicht, behauptet aber, es gäbe einen Aufsichtsratsbeschluss, der ihm die alleinige Verwendung des Autos erlaube. Derdas Version bestätigt auch Zorn. Vorlegen kann Derda diesen Beschluss aber nicht. Insider bezweifeln auch, dass es einen solchen Aufsichtsratsbeschluss je gegeben habe. Fakt bleibt immerhin: Ein eh schon klammes Stadtteiltheater leistet sich den Luxus eines Dienstautos für den Intendanten, für das es Steuern, Versicherung und Reparaturkosten trägt.

Das Lohngefälle im Theater ist gewaltig

Auch sonst ist Derda für das Waldau-Theater bei einem äußerst üppigen Bruttojahresgehalt von 180.000 Mark nicht gerade billig. Es dürfte wohl schwierig sein, in Deutschland ein Theater von vergleichbarer Größe und mit ähnlichem Umsatz zu finden, das seinen Intendanten derart fürstlich entlohnt. Zugleich verlautet aus gut unterrichteten Kreisen, Derda werde zusätzlich zu diesem „lächerlichen Gehalt“ (O-Ton Derda) vom Theater ein Vorschuss in fünfstelliger Höhe gewährt. Wenn das stimmt, käme das de facto einem zinslosen Darlehen gleich, bereitgestellt von einem Arbeitgeber, dem selber das Wasser bis zum Hals steht. Derda bestreitet jedoch kategorisch, einen Vorschuss zu erhalten und spricht von gezielter Rufschädigung.

Auch unabhängig davon bleibt zumindest das gewaltige Lohngefälle innerhalb des Hauses bemerkenswert. So wurde kürzlich einem Beleuchter mit Hinweis auf die finanzielle Situation des Theaters gekündigt. Dessen Monatslohn für eine volle Stelle lag bei 2.500 Mark brutto. Das ist nicht etwa die Ausnahme, sondern der Regelverdienst im Theater. Weitere Kündigungen seien unvermeidlich, heißt es.

Derweil verdient sich Derda noch ein Zubrot durch Inszenierungen an anderen Häusern. So inszeniert er – was ihm vertraglich erlaubt ist – unter anderem seit Jahren am Bremer Packhaus-Theater die Sommerkomödie, die einzige jährliche Eigenproduktion des Packhaus. Die Leiterin dieses Theaters ist Derdas Frau Andrea Krauledat. Auch als Schauspieler ist Derda im Packhaus regelmäßig zu Gast gewesen. All das sind keine verbotenen Geschäftsbeziehungen, aber doch zumindest solche, die man zwischen Eheleuten auch mit guten Gründen hätte vermeiden können. Sicher ist, dass das augenblickliche finanzielle Gefüge im Theater kaum weiter aufrecht zu halten sein wird. Es dürfte schwierig zu erklären sein, wieso man Geringstverdiener auf die Straße setzt und sich zugleich mit Derda und dem neuen, 120.000 Mark brutto im Jahr verdienenden Geschäftsführer Axel Schroeder ein Führungsduo leistet, das zusammen fast ein Viertel des jährlichen Zuschusses aus der Kulturbehörde von 1,4 Millionen Mark erhält – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass dieser Zuschuss laut Schroeder in den nächsten Jahren kontinuierlich sinken wird. Entsprechende Signale habe er bereits aus der Behörde erhalten.

Dem Vernehmen nach soll inzwischen auch an der Höhe von Derdas Bezügen gefeilt werden, die sich zukünftig wohl am Schroeder-Gehalt orientieren sollen. Dabei hatte Aufsichtsratsvorsitzender Nölle noch vor Wochen öffentlich versichert, man werde Derda einen veränderten Vertrag vorlegen, der definitiv keine finanziellen Einbußen vorsehe. Parallel zu diesen internen Prozessen erarbeitet die behördeneigene Controlling-Firma kmb zurzeit ein Konzept, dass sich auf der Basis der zukünftigen finanziellen Möglichkeiten des Theaters als tragfähig erweisen soll.

Waldau-Führungsduo verdient ein Viertel des Behördenzuschusses

Doch womöglich erweisen sich die Auseinandersetzungen um Derdas mutmaßlichen und tatsächlichen Privilegien als vernachlässigbares Geplänkel, wenn erst mal die wirklich großen Missstände aus der Vergangenheit des Theaters zur Sprache kommen. So ist aus gut informierten Kreisen zu hören, die Kulturbehörde habe 1992 habe vor Gründung der Waldau GmbH dem in Finanznot befindlichen damaligen Trägerverein des Waldau Theaters einen Vorschuss von 400.000 Mark aus Mitteln zur Verfügung gestellt, die eigentlich für die GmbH vorgesehen waren. Formal schuldete der Verein damit der GmbH das Geld. Während eines ersten Entschuldungsverfahrens Mitte der 90er Jahre durch die Sparkasse und die Kulturbehörde habe die Behörde die Auflage gemacht, der Verein müsse der GmbH unentgeltlich die noch im Vereinsbesitz befindliche Immobilie übertragen. Auf wunderliche Weise habe sich der Verein bei diesem Transfer entschuldet, indem er der GmbH nicht nur das Haus, sondern zugleich noch seine Schulden von 400.000 Mark plus Zinsaufschlag übertragen habe.

Ließ Geschäftsführung des Theaters sich Schulden „schenken“?

Das Schriftstück, dass der GmbH so mit einem Schlag fast eine halbe Millionen Mark Fremd-Schulden verschaffte, soll die Unterschrift des damaligen GmbH-Geschäftsführerduos Zorn/Derda tragen. Der GmbH-Aufsichtsrat sei von dieser wohl illegalen Transaktion nicht informiert gewesen, heißt es. Franco Zotta