Mantel des Schweigens lüften

Geheimniskrämerei um Hermes-Bürgschaften für Atomprojekte sorgt wieder für Ärger. Auch die Abfallentsorgung von Tschernobyl wird versichert

von MAIKE RADEMAKER

Der Streit um die Hermes-Bürgschaften für Atomkraftwerke im Ausland verfolgt Außenminister Joschka Fischer (Grüne) weiter. Gestern ließ der Minister einen Bericht der Welt am Sonntag dementieren, er habe seine Partei nur über die Bewilligung von drei Anträgen informiert, die Bewilligung für einen weiteren Bürgschaftsantrag aber verschwiegen. Der vierte Antrag betrifft eine Anlage für radioaktive Abfälle für den Tschernobyl -Reaktor in der Ukraine. Bei den drei anderen handelt es sich um Lieferungen der Firma Siemens für ein neues Atomkraftwerk in China und Lieferungen für AKWs in Litauen und Argentinien. Der Bericht über den vierten Antrag hatte am Wochenende sowohl in der Grünen-Fraktion als auch bei den Oppositionsparteien zu Verärgerung über die Informationspolitik des Ministers geführt.

Tatsächlich hatte das Auswärtige Amt am 14. März, drei Tage vor dem Grünen-Parteitag, in Pressemeldungen darauf hingewiesen, dass über die drei bekannten hinaus noch ein vierter Antrag bewilligt werden solle. Allerdings wollte der Sprecher des Ministeriums zu diesem Zeitpunkt keinerlei konkrete Angaben dazu machen, um welches Projekt es sich handelt. Für die Abfallanlage habe schon die alte Bundesregierung im Rahmen der G-7-Vereinbarungen eine Verpflichtung übernommen, teilte das Ministerium nun mit.

Warum man aber nicht schon vor dem Parteitag offen über diese alte Verpflichtung gesprochen sowie Namen und Ort des Projektes bekannt gegeben hat, geht aus den Erklärungen nicht hervor.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte gegenüber der taz, dass es eine auf Regierungsebene getroffene so genannte „politische Verpflichtung“ gebe, weitere zehn Anträge auf Hermes-Bürgschaften für Lieferungen an AKWs nicht zu bewilligen. Allerdings müsse erst abgewartet werden, bis die Anträge tatsächlich im Interministeriellen Ausschuss (IMA) auf die Tagesordnung kämen. Erst dann könne man sie dort ablehnen. Zurzeit würden die Anträge der Firmen noch von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft untersucht und zusammengestellt. Sie könnten dem IMA erst vorgelegt werden, wenn sie entscheidungsreif seien, das heißt alle notwendigen Unterlagen eingereicht wurden. Dass Anträge erst gestellt werden müssen, um dann abgelehnt zu werden, sei ein notwendiger administrativer Weg. Einen Termin für die entsprechende Diskussion im IMA gebe es noch nicht.

Aus dem Ministerium hieß es außerdem, in der politischen Grundsatzeinigung sei beschlossen worden, zukünftig keine Hermes-Deckung für den Neubau von Atomkraftwerken und für international umstrittene Großprojekte zu übernehmen. Bei bestehenden Anlagen soll im Einzelfall die Möglichkeit einer Bürgschaft für Sicherungstechniken in kleinerer Größenordnung geprüft werden.

Anträge auf Hermes-Bürgschaften stellen Firmen dann, wenn bei Lieferungen ins Ausland ein politisches oder wirtschaftliches Risiko besteht, dass die Lieferungen nicht bezahlt werden. Im Falle eines Zahlungsausfalls bezahlt der Bund die Rechnung und stellt dem Empfängerland die Summe als Schulden auf.

Kurz vor dem Parteitag der Grünen am vorletzten Wochenende war durch die taz bekannt geworden, dass der IMA bei drei Lieferungen für AKWs im Ausland Anträge bewilligt hatte. Fischer verteidigte die Bewilligungen auf dem Parteitag mit dem Argument, in den anderen Fällen werde man Anträge ablehnen. Im Rahmen einer „Paketlösung“ sei ein anderer Weg nicht möglich gewesen.

Zehn der bis heute faktisch nicht entschiedenen Anträge betreffen Lieferungen für AKWs, drei äußerst umstrittene Staudammprojekte in China, Indien und der Türkei. Ebenfalls offen ist noch, ob sich die Bundesregierung im Rahmen einer G-7-Abstimmung an der Finanzierung der Tschernobyl-Ersatzreaktoren beteiligen wird (siehe Artikel unten).