Obacht, Bayern München!

Werder Bremen greift jetzt nach der Meisterschaft / Denn im Zweifel entscheidet allein die Auswechselbank / Vom 3:2 gegen Borrussia Dortmund  ■ Jochen Grabler

Die Bayern können sich schon mal warm anziehen. Und die Leverkusener sind schon geputzt. Quasi. Denn jetzt gibt's kein Halten mehr. Jetzt greift Werder an. Noch sind 24 Punkte zu vergeben, die Meisterschaft ist nicht entschieden. Ehe der gemeine Fußballfreund wegen galoppierender Quatschsucht dieses Blattes den Arzt holt bitte sehr: Über Monate, ach was: Jahre haben wir gepredigt, dass sich wirkliche Spitzenmannschaften vor allem durch jenes Personal auszeichnen, das nicht ständig zum Einsatz kommt. Vulgo, durch die Bank. Weil doch kaum ein Profi die Mörderzahl von Spielen, die mittlerweile gespielt werden wollen, vollrohr durchhält. Dass hinter dem Jancker der Zickler drängelt (oder neuerdings umgekehrt), das ist die Stärke der Bayern. Womit wir pfeilgerade beim heimischen Fußballverein wären, beziehungsweise bei dessen sonntagabendlicher Bankbesatzung: Flock und Schierenbeck (muss ja), Skripnik (haben wir uns dran gewöhnt) und (jetzt aber!) Bode, Eilts, Frings. Noch Fragen? Von den Dauerverletzten Wicky und Frey brauchen wir gar nicht erst zu reden. Das war die beste Werder-Bank seit Menschengedenken. Die Bayern können sich schon mal warm anziehen.

Zumal Werder jetzt erst mal eine Woche Pause hat, bis der Trip nach Rostock ansteht. Manche können sich sogar noch länger erholen. Kaum hatte der Spieler Frings ein Viertelstündchen vor Schluss das Spielfeld betreten, schon semmelte er einen Gegner derart ungestüm um, dass er direkt die gelbe Karte kassierte. Seine fünfte, das heißt einmal aussetzen. Was wiederum seinen Sportkameraden Herzog solcherweise animiert haben muss-te, dass auch der sich nur fünf Minuten danach auch seinen fünften Farbkarton abholte. So darf Thomas Schaaf bis zum Wochenende über ein neues Kreativzentrum grübeln. Ganz zu schweigen von der Energiefrage. „Ich hoffe, dass in der nächsten Woche der Akku wieder voll wird“, meinte der Coach nach dem Abpfiff. Muss er auch. Nach dem Horrormonat März mit vier Europapokalspielen in Folge pfeifen die Bremer auf dem allerletzten Loch. Darum ist das Training für heute und morgen auch erst einmal abgesagt

Bode hat seinen Auftritt bei Erich Ribbeck abgesagt, Baumann und Rost fahren nicht zur A 2. Alle plagen Zipperlein, aber vor allem plagt sie die Überarbeitung. So hatten die Wetten auch hoch gestanden, dass Werder posteuropäisch geschwächt den Aufbaugeg-ner für die grundverunsicherten Dortmunder abgeben würde. Und beinahe hätte es geklappt. Denn kaum hatte Rade Bogdanovic seinen Schädel in eine Herzog-Ecke gehalten und ein sehenswertes 3:1 erzielt, schon wurden die Bremer von einer Blitzlähmung überfallen. Im Gefühl des sicheren Sieges angesichts einer grauslig dahinkrepelnden Dortmunder Millionentruppe erinnerten sich die Werder-Kicker an die gerade vergangenen harten Wochen und stellten sofort das Fußballspielen ein. Es war wie beim autogenen Training. Die Beine wurden schwer. Sehr schwer. Ganz schwer. So dermaßen schwer, dass der BVB weitgehend ungestört das 3:2 erzielen konnte. Dass nicht auch noch der Ausgleich gefallen ist pures Glück.

Bernhard Trares, ansonsten ein Energiebündel, quälte sich nur noch dem Ball hinterher. Dauerläufer Andree Wiedener machte mangels Konzentration einen Fehler nach dem anderen. Und Frank Baumann, zu Jahresbeginn noch sensationell stark in der Eröffnung des Spiels nach vorne, haute Mal um Mal die Pille in Richtung Tribünendach. Immerhin. Denn die langen Pässe kamen eh nicht an. Wenigs-tens Andreas Herzog zeigte Führungsqualitäten. Auch ein seltenes Erlebnis.

Ob nun der BVB seinerseits zum Aufbaugegner wurde – man darf Zweifel haben, wenn man die ausgepumpten grün-weißen Recken vom Platz schlurfen sah. Ob die allerdings ihrerseits die Dortmunder in der nächsten Saison noch einmal sehen – auch das darf man mittlerweile bezweifeln. Was durchaus mit Vergnügen betrachtet werden kann. Mit rund 50 Millionen Mark immerhin wurde das Team zu Beginn der Saison verstärkt, um die Meisterschaft wollten sie mitspielen, nun liegen sie hinter Haching, und der Abstand zu Platz 16 ist auf sieben Pünktchen geschrumpft. Erfolg ist halt doch nicht käuflich. Auch schön. Richtig schade wäre es nur um die Dortmunder Fans. Denn als die Ostkurve ihr fröhliches „So spielt ein Absteiger“ anstimmt, da gab der gelb-schwarze Fanblock überhaupt nicht faul zurück: „Und wir steigen wieder auf, Hallelujah!“