Endlich wieder mitsingen

Drum 'n' Bass steckt in der Midlife-Crisis? Nicht so schlimm: TwoStep ist schon in der Stadt

von CHRISTOPH BRAUN

Der Drum 'n' Bass-Hype ist vorbei. Neben den institutionalisierten Clubnächten von hard:edged im WMF und Recycle im Icon konnte sich in Berlin kein neues Party-Konzept durchsetzen – die Keller waren in den vergangenen Monaten nur noch richtig gefüllt, wenn DJs aus England am Start waren. Auch die einschlägigen Plattenläden melden schon seit gut eineinhalb Jahren Flaute: mit Ausnahme großer Namen wie DJ Krust, Roni Size oder LTJ Bukem wird Drum 'n' Bass kaum noch verlangt.

„Drum 'n' Bass befindet sich in der Midlife-Crisis“, sagt Uli Güldner vom Plattenladen Downbeat in Kreuzberg. „Der schwache Umsatz der Grooverider-LP war 1998 für die Industrie der Beweis, dass mit dieser Musik kein großer Umsatz gemacht werden kann.“

Die Berliner DJs haben sich umgetan: Ragga liegt schon länger im Trend, und dann ist da noch TwoStep – ein Sound, der genau wie einst Drum 'n' Bass von den afrokaribischen Szenen Londons nach Europa kommt. Mit TwoStep scheint es in Berlin jetzt richtig loszugehen: eine Art Synthese aus House, Ragga-Bässen, Drum 'n' Bass-Produktionsweisen (Time Stretching und klirrende Sounds) und Soul-Gesang.

In den letzten beiden Jahren war TwoStep richtig groß in London; in Berlin dagegen fand nur hie und da mal eine Party statt. Jetzt laufen die echten Londoner Hipster schon wieder zu Old-Skool-Jungle-Raves – und in Berlin verdichten sich die TwoStep-Veranstaltungen –, aber das ist nur die übliche Subkultur-Lücke zwischen Großbritannien und dem Kontinent.

Berliner Plattenläden wie Melting Point oder Soul Trade haben inzwischen eigene Fächer mit der Überschrift „TwoStep“ eingerichtet. Manche Tracks schaffen es aber nach der Lieferung gar nicht mehr dort hin, so groß ist die Nachfrage. Ein Soul-Trade-Verkäufer legte vor drei Wochen „Rewind Selecta“ von Artful Dodger auf. Die Anwesenden horchten auf und hielten beim Plattendurchstöbern inne – gut gelaunter Gesang, eine munter shuffelnde Hi Hat, wie schön. Und dazu dieser catchy Break: „Re-Re-Wind, Enter Selecta!“ In zwei Minuten war die ganze Auflage weg, wer leer ausging, musste eine Woche bis zur nächsten Lieferung aus London warten.

Letzte Woche lief „Rewind Selecta“, das in Großbritannien bereits Platz zwei der Charts belegt hat, dann zum ersten Mal im deutschen MTV und wurde von Urban, einem „Dance“-Label mit Industrieanschluss, in einem Spot beworben. Der Trend festigt sich.

„TwoStep verbindet halt viele verschiedene Szenen miteinander“, erklärt MC Looney Tune den Run auf den neuen Stil. „Das Ganze ist nicht so speziell wie Drum 'n' Bass, und bei TwoStep kann jeder mitsingen. Oft sind es ja bekannte Soul-Stücke, die da remixed werden. Und der Vibe ist viel offener und freundlicher als auf reinen Drum 'n' Bass-Partys.“

Looney Tune ist die Wortlieferantin des hiesigen Kollektivs „on bass tracks“, zu dem noch die DJs G-Serve und Christine Lang gehören. „on bass tracks“ sind jeweils am zweiten Samstag des Monats im NBI zu hören. Mit ihrer Drum 'n' Bass-Vergangenheit haben sie abgeschlossen – sie spielen fast nur noch TwoStep.

„Irgendwann begann G-Serve, TwoStep-Tracks zu kaufen. Anfangs hat das Christine und mir gar nicht gefallen. Der Unterschied ist schon riesig: Die Soul-Vocals beim TwoStep sind so sweet und poppig, Drum ’n’ Bass dagegen brettert so. Daran haben wir uns erst gewöhnen müssen, genauso wie das Party-Publikum. Die haben auch erst mal komisch geguckt. Inzwischen finden wir diese Süße richtig gut – und die Leute tanzen.“

Sie tanzen nicht nur im NBI zu TwoStep, sondern bald auch zu Hause. Ab April werden „on bass tracks“ ihre eigene Internet-Audio-Show auf www.twenfm.de präsentieren. TwoStep auf allen Kanälen: G-Serve legt auch noch jeweils am dritten Freitag des Monats im Icon auf, Tricky Dicky hat seine Fudge Factory geöffnet, und als Techno-Veteran Tanith vergangene Woche die Stimmung für Shut Up And Dance vorwärmte, tat er das mit TwoStep.

Es zeichnet sich also ab, was bassverliebte BerlinerInnen in den nächsten zwei Jahren hören werden. Und dann wartet ja schon Old Skool Jungle. Und nach vier, fünf Jahre hat sich Drum'n'Bass bestimmt von der Midlife-Crisis erholt und integriert Ragga, TwoStep und Old Skool Jungle. Oder so. Hauptsache, der Vibe stimmt.

TwoStep-Nächte in Berlin: Looney Tune, G-Serve und Christine Lang als „on bass tracks“ das nächste Mal am 8. April im NBI, Schönhauser Allee 8 – und dann immer am zweiten Samstag des Monats G-Serve das nächste Mal am 21. April im Icon, Cantianstraße 15 – und dann alle vier Wochen