„Es gibt keinen Speck mehr“

Klaus Siebenhaar, Hochschullehrer und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen Theater, fordert betriebsbedingte Kündigungen und den Ausstieg aus dem öffentlichen Dienst. Nur so könne die Finanzkrise der Bühnen gelöst werden

Interview KATRINBETTINA MÜLLER

taz: Den landeseigenen Bühnen fehlen in dieser Spielzeit 17 Millionen Mark. Deshalb sollen sie bis Ende März Sparpotenziale im Personalbereich benennen. Welche gibt es am Deutschen Theater?

Klaus Siebenhaar: Wir könnten die Kosten für 20 bis 30 Stellen, die mit je 60.000 bis 70.000 Mark zu Buche schlagen, durch Fremdvergabe an einen Dienstleister reduzieren. Das trifft vor allem Bereiche wie Pförtner oder den Abenddienst, Garderobieren und Einlasserinnen. Diese Stellen schreiben wir gerade aus. Ich bedauere das, weil die Festangestellten sich mehr mit dem Haus identifizieren.

Die Verschuldung des Kulturhaushaltes wird häufig als Folge der Wende beschrieben. Haben die Ostberliner Theater die personalintensiven Strukturen der DDR erhalten?

Das ist ein überholtes Klischee. Als Thomas Langhoff 1991 als Intendant anfing, hatte das Deutsche Theater noch fast 500 Mitarbeiter, heute sind es schon 150 weniger. Noch drastischer hat Albert Kost an der Komischen Oper abgebaut.

Bleiben am Deutschen Theater 347 Stellen. Sind da nicht viele exotische Handwerksberufe dabei, die man nur in wenigen Produktionen braucht?

Nein. Die Kulissen werden in zentralen Werkstätten gebaut, die wir mit der Staatsoper Unter den Linden nutzen. Die Werkstätten zählen nicht mit zu den 347 Stellen. Ein Drittel ist davon rein künstlerisches Personal: 55 Schauspieler im Ensemble sind nicht viel für zwei Bühnen. Dazu kommen Regieassistenten, Dramaturgie, die Intendanz, die Bühnenbildabteilung und Maskenbildner. Bei einem großen Repertoiretheater arbeiten fast 50 Prozent des Personals in der Bühnentechnik. Das sind für die beiden Bühnen des Deutschen Theaters rund 160 Mitarbeiter. Wenn auf zwei Bühnen täglich Proben und abends wechselnde Vorstellungen stattfinden, müssen die Bühnen immer wieder neu eingerichtet werden. Für die nächste Produktion von Einar Schleef, „Verratenes Volk“, nach einem Roman von Alfred Döblin, braucht man zum Aufbau 6 bis 8 Stunden.

Kann man in diesem Bereich noch sparen?

Im Bereich der Technik ist sicher kein Speck mehr, sonst kann man kein Repertoiretheater machen. Sonst muss man ein Stück in einem Block spielen und dann wieder einmotten. Damit würde man aber in die künstlerische Identität des Deutschen Theaters eingreifen und sein Alleinstellungsmerkmal, ein großes Repertoiretheater zu sein, beseitigen.

Mit dem Stellenplan wird ein Programm festgeschrieben, das andere Theaterformen ausschließt. Die Schaubühne hat jetzt Positionen geschaffen für Choreografen, Tänzer und Hausautoren, die für die Suche nach neuen Produktionsformen stehen.

In neuen dramaturgischen Büros zusammenzuarbeiten, halte ich auch für erstrebenswert. Sich da Spielräume zu eröffnen und neue Produktionsformen zu finden, ist kaum möglich, solange 80 bis 90 Prozent des Etats als Personalkosten gebunden sind. Durch die Unzulässigkeit von betriebsbedingten Kündigungen haben wir kaum eine Chance, junge Nachwuchskräfte einzusetzen.

Die Intendanten klagen, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Halten Sie das für notwendig?

Kernbereich einer Strukturreform muss sein, die Häuser aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen und die Möglichkeit für so genannte Haustarife und Arbeitsbedingungen, die der Produktionsstätte Theater angemessen sind, zu schaffen. Die arbeitsrechtlichen Bedingungen der ÖTV, die für Finanzbeamte stimmen mögen, sind für das Theater nicht effektiv.

Hier stimmen Sie also der zurückgetretenen CDU-Kultursenatorin Christa Thoben zu?

Frau Thoben war überhaupt nicht unser Gegner. Sie hätte eine verlässliche Partnerin werden können, hätten das Parlament, der Regierende Bürgermeister und alle Parteien sie nicht völlig allein gelassen. Und letztlich auch ihre Verwaltung. Wir hatten nie eine ernsthafte Konfrontation mit der Senatorin, sondern eher mit dem Parlament und einem begnadeteten Schauspieler wie SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit, der auf der einen Seite die Intendanten vorführen will und sich auf der anderen Seite gegen betriebsbedingte Kündigungen ausspricht.

Die Diskussion, wie man sparen kann, hat sich auf Personalabbau zugespitzt. Ist das nicht eine verengte Perspektive?

Die ganze Spardiskussion findet unter verschobenen Relationen statt. Man vergisst, dass es um knapp 2,5 Prozent des gesamten Berliner Haushaltes geht. Wenn man davon nochmal 0,3 oder 0,4 Prozent einspart, was ist das schon für den Gesamthaushalt? Der Flurschaden, der für das Image der Stadt angerichtet wird, ist sehr viel größer.