: „Barrieren für Konzerne“
Ein neues Weltkartellamt soll Fusionen wie die der Deutschen und Dresdner Bank kontrollieren, fordert Rainer Brüderle, der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP. „Es geht um die Machtfrage“
taz: Anlässlich der angekündigten Fusion der Deutschen und Dresdner Bank haben Sie gefordert, endlich ein Weltkartellamt zu gründen. Was lässt einen liberalen Politiker Misstrauen schöpfen, wenn zwei Unternehmen zusammengehen?
Rainer Brüderle: Ich betrachte große Zusammenschlüsse immer mit gemischten Gefühlen. Auf einem freien Markt muss es Konkurrenz zwischen vielen Wettbewerbern geben. Nur dadurch entsteht technischer Fortschritt, nur das bringt neue Arbeitsplätze. Gegenwärtig beobachten wir ein großes Missverhältnis: Wenn in Deutschland zwei Marmeladenfabriken fusionieren, guckt sich das Bundeskartellamt die Pläne genau an. Wenn aber zwei Riesenkonzerne wie Deutsche Bank und Dresdner Bank verschmelzen, gibt es auf europäischer Ebene nur relativ weiche Regelungen und weltweit fast gar keine. Das muss sich ändern.
Die Bemühungen des Kartellamts in Ehren, aber Fusionen verhindert es nur sehr selten.
Immerhin verordnet das Amt relativ häufig, dass die neuen Großunternehmen sich von bestimmten Sparten trennen müssen, damit ihre Marktmacht nicht zu groß wird.
Befürchten Sie, dass Deutsche und Dresdner Bank eine Art Monopol bilden, dem die KundInnen ausgeliefert sind?
Nein. Der Anteil der Großbank am deutschen Markt dürfte sich in der Region von zehn Prozent bewegen. Bezogen auf Europa sind es unter zwei Prozent.
Das von Ihnen gelobte deutsche Kartellamt geht von einer Marktbeherrschung erst dann aus, wenn eine Firma auf 30 Prozent kommt. Was also soll Ihre Forderung nach dem Weltkartellamt, wenn die Bankenfusion noch nicht einmal hier zu Lande als wettbewerbsrechtlich fragwürdig eingestuft wird?
Es geht mir weniger um fixe Prozentzahlen als um die Machtfrage. Ich beklage einen Verfall ordnungspolitischen Denkens. Für mich ist Marktwirtschaft nicht Laisser-faire.
Laufen die großen Konzerne der Politik irgendwann völlig aus dem Ruder?
Wenn die Politik wettbewerbsgerechte Rahmenbedingungen schafft, nicht. Der ehemalige Kartellamtspräsident Wolf hat aber davor gewarnt, dass bald wenige Konzerne den Weltmarkt beherrschen könnten. Die neue Deutsche Bank schreibt eine Bilanzsumme von 2,5 Billionen Mark. Diese Fusion alleine vereinigt damit annähernd so viel Kapital wie alle Firmenverschmelzungen des Jahres 1998 zusammen. Auch wenn der einzelne Fall jetzt nicht zur Marktbeherrschung führt, macht er doch das Problem deutlich, das allmählich entsteht: die immer größere Vermachtung der Wirtschaft. Die Bundesregierung tut dagegen gar nichts – weder bei der jüngsten Weltwirtschaftskonferenz in Seattle noch auf europäischer Ebene.
Was hat die CDU-FDP-Koalition denn getan?
Auch nicht viel – zugegeben. Aber man muss sagen, dass die Lage damals eine andere war. Die weltweite Fusionitis hat sich seitdem erheblich beschleunigt.
Wieso muss es ein Weltkartellamt sein – reicht die europäische Fusionskontrolle der Brüsseler Kommission nicht aus?
Wenn die Behörde mit harter Hand regiert – und das tut sie manchmal –, dann hängt das an einzelnen Personen. Dabei konzentriert sich die Kommission im Wesentlichen auf spektakuläre Fälle. Insgesamt gibt es aber keine systematische Kontrolle. Deshalb bräuchte man auch ein europäisches Kartellamt.
In den USA scheint die Fusionskontrolle zumindest hin und wieder ganz gut zu funktionieren. Microsoft droht die Zerlegung in mehrere Firmen.
Das Beispiel zeigt, wie wirksam das amerikanische Wettbewerbsrecht ist. Deshalb hänge ich auch nicht an dem Wort „Weltkartellamt“. Wenn Südostasien, die USA und Europa auf der Basis ihrer nationalen Gesetze wirksam kooperieren würden, bräuchte man keinen neuen Wasserkopf. Was man sehr wohl braucht, sind harte Barrieren für Unternehmen.
Welche Grenzen wollen Sie setzen?
Ich bin dafür, dass in Deutschland so etwas kommt wie in den USA: die Möglichkeit der Entflechtung von Unternehmen, die zu mächtig werden. Selbst wenn das nur ganz selten passiert – die Möglichkeit alleine kann die Konzerne schon zu konformerem Verhalten zwingen. Wenn Sie alles freigeben, haben Sie später anstatt staatlicher Regeln nur noch private. Und wenn ich als Liberaler die Wahl habe zwischen einem staatlichen Monopol und einem privaten, entscheide ich mich für das staatliche. Das kann ich wenigstens noch beeinflussen.
Interview: HANNES KOCH
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