„Chance für Beschäftigung vertan“

Wolfgang Franz ist Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und freut sich, dass das Zwickel-Projekt einer Rente ab 60 mit dem Tarifabschluss vom Tisch ist

taz: Ermöglicht der Tarifabschluss einen Durchbruch für das Bündnis für Arbeit?

Wolfgang Franz: Nein. Ich bin nicht zufrieden. Bereits im Juli vergangenen Jahres hatten Gewerkschaften und Arbeitgeber im Bündnis vereinbart, dass die Produktivitätszuwächse vorrangig dem Beschäftigungsaufbau dienen sollten. Und davon kann ich nun überhaupt nichts erkennen.

Das Bündnis fordert eine längerfristige Tarifpolitik. Immerhin gilt der Tarifabschluss für 24 Monate.

Tarifverträge mit mehreren Jahren Laufzeit sind schon wichtig. Aber beschäftigungsfreundlich wäre es gewesen, wenn die Metall- und Elektroindustrie unter dem erwarteten Produktivitätsfortschritt abgeschlossen hätte. Lohn- und Gehaltserhöhungen von 2 Prozentpunkten wären zwar auch kein überwältigender Beitrag für mehr Beschäftigung gewesen, aber immerhin hätten sich die Tarifvertragsparteien damit in die richtige Richtung bewegt.

Klaus Zwickel hat aber doch auf sein Lieblingsthema Rente mit 60 verzichtet.

Das freut mich, dass die Tarifrente endgültig vom Tisch ist. Denn diese Forderung war zweifellos ökonomischer Unsinn. Bei der Rente mit 60 für alle wären die Beschäftigungseffekte ohnehin nur minimal gewesen. Aber es kann doch nicht sein, dass man auf ökonomisch unsinnige Forderungen verzichtet, nur um auf der anderen Seite Lohnabschlüsse, die keine Beschäftigung bringen, hochzuloben.

Sehen Sie kein Anzeichen, dass nun Schwung ins lahme Bündnis kommt?

Nein, denn dafür hätten die Bündnispartner das umsetzen müssen, was sie verabredet hatten. Das muss man sich mal vorstellen: Gewerkschaften und Arbeitgeber unterschreiben beim Bundeskanzler ihr Versprechen, bei den Lohn- und Tarifverhandlungen unter dem Produktivitätsfortschritt zu bleiben, und dann schließt die Metallbranche einen anders lautenden Tarifvertrag. Sie hat ihre Chance für mehr Beschäftigung einfach vertan.

In welche Richtung soll es weitergehen?

Ich frage ich mich, welchen Sinn das Bündnis noch macht. Sicher, die IG Metall hatte 5,5 Prozent gefordert und weniger bekommen. Was zählt, sind Fakten. Ökonomisch hat es überhaupt keine Bedeutung, wenn man jetzt sagt: Die Tarifrunde ist mit einem blauen Auge davongekommen.

Interview: ANNETTE ROGALLA