Steuervorteil fürs Finanzamt

Ausgeflaggte Billigschiffe: Soziale Absicherung der deutschen Seeleute wird heute in Musterprozess vor Finanzgericht verhandelt  ■ Von Kai von Appen

Nicht nur Hamburger Seeleute schauen heute ins Binnenland. In Hannover soll das Niedersächsische Finanzgericht, so wünscht sich das zumindest die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) in Hamburg, der „steuer- und sozialpolitischen Schizophrenie“ in der Behandlung deutscher Seeleute auf ausgeflaggten Schiffen ein Ende setzen. Davon sind rund tausend Seeleute an der Küste betroffen.

Mit Rechtsschutz durch die DAG haben der Leeraner Seemann Herbert Poelmann und seine Frau Antje eine Musterklage eingereicht: Sie wehren sich dagegen, in Deutschland Einkommenssteuer zahlen zu müssen, obwohl Herbert Poelmann auf einem Schiff unter zypriotischer Flagge fährt. Bei einem Erfolg der Klage steht das gesamte System der Ausflaggung in Billigländer zur Debatte.

„Es geht eigentlich nicht um die Steuern“, sagt daher auch der Hamburger DAG-Schifffahrtsexperte Frank Müller, sondern um eine Grundsatzentscheidung zur Sozialversicherungspflicht. „Wenn es ein deutscher Reeder ist“, so Müller, „muss er sich auch wie ein deutscher Reeder verhalten.“ Und das hieße, für die Seeleute auch Sozialabgaben zu übernehmen.

Herbert Poelmann war Ende der achtziger Jahre als Schiffsingenieur bei der Reederei „Fisser & Dornum“ (F&D) unter Heuer, bis das Schiff nach Zypern ausgeflaggt wurde: Der Besatzung wurde gekündigt. Die neue zypriotische Reederei, die mehrheitlich von F&D beherrscht wurde, charterte zunächst das Schiff ohne Besatzung, ließ es dann aber von der zypriotischen Firma „Crewing Companies“ (CC) bemannen. Die CC heuerte Poelmann wieder als Ingenieur an – auf seinem alten Schiff, allerdings zu wesentlich niedrigerem Lohn und ohne Sozialversicherung. Der Reeder trickste noch weiter: Das Schiff samt Crew wurde dann wiederum von einer deutschen Gesellschaft gechartert, die mehrheitlich F&D gehörte.

Grund genug für das Finanzamt, die Entrichtung von Einkommenssteuer zu verlangen. Begründung: Poelmann sei bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt. Krankenkasse und Rentenversicherung sehen dies anders: Sie verweigerten Versicherungsschutz mit dem Hinweis, dass es sich um eine ausländische Firma handele. Um seine Zukunft zu sichern, musste Poelmann selbst Beiträge zu Kranken- und Rentenversicherung „freiwillig“ in Höhe des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil aufbringen.

„Einerseits wird Seeleuten der Schutz der deutschen Sozialversicherung versagt“, wettert Müller, „anderseits versucht der Fiskus, bei denselben Seeleuten Steuern zu kassieren.“ Folgt das Gericht in Hannover heute dem Votum des Finanzamtes und geht von einem deutschen Reeder aus, hätte das laut DAG weitreichende Folgen. Müller: „Dann müsste dieser Arbeitgeber zwingend den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung entrichten.“