pampuchs tagebuch: ZU EINEM GUTEN SUMPF GEHÖRT AUCH EINE MAIL-ADRESSE
Es ist ein Zeichen der Zeit, dass der Reisende – auch und gerade, wenn er das Ursprüngliche sucht – um die Segnungen der modernen Technik nicht mehr herumkommt. Was könnte ursprünglicher sein als der Sumpf? Genau dorthin haben mich meine Wege geführt. Und siehe, auch der Sumpf ist vernetzt. Recherchehalber habe ich mich ein wenig in den swamps von Louisiana herumgetrieben, im „Cajun-country“ westlich von New Orleans, einem ausgedehnten Sumpfgebiet, in dem die Nachfahren der Acadiens (die Cajuns) leben, die im 18. Jahrhundert von Kanada her hier einwanderten. Sie sprechen immer noch eine Art Französisch, spielen fröhliche Musik – Cajun und Zydeco – und haben eine ziemlich interessante Küche, die geprägt und geadelt ist vom crawfish, einer Art kleinem Flusskrebs. Den züchten und fangen die Hiesigen in den Sümpfen und servieren ihn dann mit leckeren Saucen oder paniert als étouffée.
Die Highways stehen häufig auf Betonstelzen und führen meilenweit geradeaus, bis irgendein Städtchen kommt, in dem der Boden etwas fester ist. Die Cajuns sind fleißige Leute, doch am Samstag gehen sie auf ihre Tanzveranstaltungen, und die wirken, als sei man in einen alten John-Ford-Film geraten. In den Zydeco-Kneipen ist die Musik noch etwas fetziger, weil sie von Schwarzen gemacht wird und weil neben das Akkordeon dann noch ein Waschbrett tritt.
Spätestens wenn man eine „Swamp-Tour“ machen will – touristischer Höhepunkt in diesem Land- und Wasserstrich -, schlägt die Moderne zu. Die Swamptour-Unternehmer sehen zwar aus wie eine Mischung aus Hemingway und Davy Crockett und residieren im alten Pflanzerstil, aber technisch sind sie voll auf der Höhe. Sie haben gute Boote, und manche verfügen nicht nur über eine E-Mail-Adresse, sondern auch über eine professionell gemachte Webseite, mit der sie den amerikanischen wie den internationalen Kunden „Louisianas Antwort auf den Grand Canyon – The Atchafalaya“ (eines der riesigen Sumpfgebiete) präsentieren. Einer der bekanntesten Swamp-Tourer ist Coerte Voorhies, mit seinem „Bois de Chenes“-Bed & Breakfast auf der Charles Mouton Plantation in Lafayette, eine halbe Stunde westlich von Baton Rouge (wo übrigens immer noch kein Denkmal für Janis Joplins „busted flat in Baton Rouge“ steht, obwohl das Bobby-McGee-Lied Louisianas Hauptstadt überhaupt erst ins Bewusstsein der Welt gebracht hat.)
Coerte ist 70, sieht aus wie 60, war Geologe und schippert seit 12 Jahren Leute aus aller Welt durch die Sümpfe. Von seinen täglichen „promenades dans le bayou“ her kennt er viele Krokodile persönlich, und die Journalisten aus aller Welt von der New York Times bis zum BBC haben ihm seine Aufwartung gemacht. Unter members.aol.com/boisdchene/bois.htm kann man alles Nötige erfahren und auch gleich buchen. Die beste und größte Website für Freunde amerikanischer B&B-Reisen, www.bbgetaways.com/, hat dem König der Sümpfe bereits einen „Hospitality Key Site Award“ verliehen.
Auf die Frage, ob das sein Sumpfgeschäft verbessert habe, meint Coerte, dass die Amerikaner, die ihn übers Web kontaktieren, meistens „cheap“ seien, bloße Schnäppchenjäger also, auf die er eigentlich verzichten könne. Aber er bekomme immer mehr Reservierungen aus Europa über E-Mail. Und das seien immer sehr nette Leute gewesen.
Es scheint, dass Europäer die Sümpfe lieben. Und die am Mississippi gehören zu den aufregendsten der Welt. Schon wegen der Krokodile. Die aber sind noch nicht im Netz. THOMAS PAMPUCH
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