Doggen, die bellen...

■ Zur ersten Lesung des „Hamburger Dogmas“ im Mojo-Club

„Ein Satz hat nicht mehr als fünfzehn Worte“, „Es muß im Präsens geschrieben werden“, „Gebrauchte Metaphern sind verboten“: drei der sieben Schreibgebote, die seit November 1999 im „Hamburger Dogma“ verewigt sind. Am Mittwoch illuminierten sie werbewirksam die Wände des überfüllten Mojo-Clubs. Die Kanonisten hatten zur ersten Lesung dogmatisch korrekter Texte geladen – ein Praxistest für den nicht gerade bescheidenen Anspruch, mit literarischen Keuschheitsgeboten „die Sprache der Literatur zu verändern“, sprich zu verbessern.

Passend zum gediegenen Ambiente der Lokalität führten die Dogmatiker Gunter Gerlach und Michael Weins nonchalant durch einen Abend, der seinem kampfeslustigen Motto „Die Hamburger Doggen beißen zurück“ allerdings kaum gerecht wurde. So wirkten die üblichen lokalliterarischen Verdächtigen, die sich dem dichterischen Diktat unterworfen hatten, eher brav als bissig, und das Dogma-Spezifische war meist nur zu erahnen – wahrscheinlich wurden deshalb die Regeln übergroß an die Wand projiziert. Zwar dominierten Stakkatoprosa und Ich-Perspektive, ansonsten aber fiel das Verlesene in keiner Weise aus dem Rahmen.

Das lag auch daran, dass bei Lesungen, abgesehen von perfor- mancefixierten Formaten wie dem Poetry-Slam, eher der Inhalt als die Form im Vordergrund steht. Dass das Publikum dabei generell das Komische favorisiert, zeigte sich auch im Mojo-Club. Neben Sven Amtsbergs brutalspaßigen „Miniaturen“ konnten vor allem Michael Weins Mutter-und-Sohn-Geschichten Ovationen ernten. Aus dogmatischer Sicht jedoch verlief der Abend eher ernüchternd: Die Qualität der einzelnen Texte stand in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit den auferlegten Beschränkungen; dass also ein poetologisches Korsett zu literarischen Höchstleis-tungen animiert, scheint unwahrscheinlich – zumal wenn es Platitüden wie „Der allwissende Erzähler ist tot“ und Abwegiges à la „Die Perspektive darf nicht gewechselt werden“ umfasst. Das „Hamburger Dogma“ macht schlechte Schreiber nicht weniger schlecht und gute wohl erst recht nicht besser. Was zählt, ist Talent: Da liegt der Hund begraben – und die Dogge auch.

Christian Schuldt