BERLINER VERFASSUNGSSCHUTZ WIRD DEM INNENSENATOR UNTERSTELLT
: Schlapphüte an kurzer Leine

Unfähig, indiskret, ineffizient: Das Urteil über den Berliner Verfassungsschutz könnte aus den Reihen der Bürgerbewegung, der grünen Partei oder der Stasi-Auflöser kommen. Es kommt aber von unerwarteter Seite, vom Innensenator der Stadt Berlin, von Eckart Werthebach. Der Herr Senator steht auch unter Konservativen nicht gerade im Verdacht, die gern beschworenen Sicherheitsinteressen zu vernachlässigen.

Ein Mann, ein Wort: Werthebach will das Landesamt wegen all der vergangenen Pannen als eigenständige Behörde abschaffen. Die Lauschbehörde soll anschließend seinem Senatsbereich direkt unterstellt und von einem Abteilungsleiter seines Senats geführt werden. Man könnte sagen, Werthebach nimmt sich den Verfassungsschutz persönlich zur Brust. Es wird nicht viel bringen, so viel lässt sich jetzt schon absehen. Werthebach hat vage angedeutet, wohin die Reise gehen soll. So verkündet er, dass die „Gewinnung von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln“ künftig nicht mehr an erster Stelle stehen soll. Auch will der Senator bei der Bekämpfung des Extremismus den Einsatz des Verfassungsschutzes künftig auf die „gewaltbereiten Szenen“ beschränkt sehen. Ein alter Hut, das Gleiche hat Werthebach bereits vor Jahren als Präsident des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz reklamiert – ohne dass es Folgen gehabt hätte. Mit anderen Worten: V-Leute, elektronische Wanzen und was die Schlapphüte sonst noch an klandestinen Methoden aufbringen können, sollen nur noch dort eingesetzt werden, wo vermeintliche Verfassungsfeinde ihre Ziele mit gewaltsamen Mitteln durchzusetzen suchen. Das hört sich gut an, dürfte in der Sache aber danebengehen. Es sind nur Worthülsen.

Beispielhaft zeigt sich das bei der Enttarnung eines ehemaligen Stasi-Offiziers, der vom Berliner Verfassungsschutz als V-Mann in die PDS eingeschleust wurde. Für den Herrn Senator ist das ein großes Ärgernis, weil ein „ganz schwerer Geheimnisverrat“. Nicht die Tatsache der Einschleusung eines geheimen Informanten in eine demokratisch legitimierte Partei empört den Senator. Nein, ihn empört, dass der V-Mann-Einsatz bekannt wurde. Die Auflösung des eigenständigen Landesamtes zur Jahresmitte und die Eingliederung in die Innenverwaltung werden an dieser Haltung kaum etwas ändern. Die Debatte um die Umgestaltung der Verfassungsschutzbehörde sollte Wasser auf die Mühlen derer sein, die seit Jahr und Tag die Auflösung aller Geheimdienste fordern. Von ihnen ist allerdings nichts zu hören. Und das, obwohl der Anlass selten so günstig war. WOLFGANG GAST