Aufstocken, nicht kürzen

Vier Szenarien Hallenser Wirtschaftsforscher zeigen: Wenn man mehr will, als den Status quo im Osten zu halten, muss mehr Geld her

BERLIN taz ■ Wir schreiben das Jahr 2004. Die Weltwirtschaft hat sich gut entwickelt. In Deutschland hat das Wachstum der Wirtschaft im Osten zu dem im Westen aufgeschlossen. Die Beschäftigung nimmt endlich wieder zu. Ausgerechnet jetzt läuft der Solidarpakt I aus. Und nun? Reicht der Anschub aus, um den Osten alleine machen zu lassen? Das sind die Fragen, mit denen die Experten des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) den Blick in die Zukunft der ostdeutschen Länder gewagt haben.

Erstes Szenario: Die Investitionen in die Infrastruktur werden um ein Drittel gekürzt. Das hat verheerende Folgen: Binnen fünf Jahren sinkt die Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in Ostdeutschland um 7,3 Prozent, die Arbeitslosigkeit steigt rapide an.

Zweites Szenario: Es wird quer durch die Leistungen gekürzt, um jährlich 18 Milliarden Mark. Mit denen baut der Bund seine Verschuldung ab, erhöht den Staatskonsum oder senkt die Lohnsteuer. Im Ergebnis kommt überall das Gleiche heraus: Kurzfristig bricht die Produktion ein, die Arbeitslosigkeit steigt rasant. Dann werden Marktkräfte freigesetzt, das Wachstum zieht wieder an. Das reicht allerdings nicht, um die Einbußen wieder aufzuholen.

Drittes Szenario: Wie im zweiten bekommt der Osten 18 Milliarden Mark weniger. Mit dem Geld senkt der Staat jedoch die Beiträge zur Rentenversicherung, also die Arbeitskosten. Hier wird der Einbruch wieder aufgeholt, der Abstand zum Westen bleibt aber gleich, weil die Beschäftigten im Westen ebenso von den niedrigeren Beiträgen profitieren wie ihre ostdeutschen Kollegen.

Keine schönen Perspektiven? Das vierte Szenario zeigt, weshalb: Selbst wenn dem Solidarpakt I ein Solidarpakt II mit jährlich 56,8 Milliarden Mark folgen sollte, pendelt sich die Arbeitslosigkeit trotz wachsender Wirtschaft bei hohen zwölf Prozent ein. BEATE WILLMS