Bei mir bist du schön

America, the beautiful: 150 Fotografien aus der legendären Sammlung des Ehepaars Vernon sind jetzt in Köln zu sehen

von MAGDALENA KRÖNER

Es gibt ein paar Landstriche weltweit, die zu Synonymen sowohl für die Entwicklung der künstlerischen Fotografie als auch für wegweisende Sammlertätigkeit geworden sind. In Deutschland steht das Rheinland für fotografischen Pioniergeist – durch Fotografen wie August Sander oder Alfred Renger-Patzsch und eben durch Fotosammler wie Fritz L. Gruber, Volker Kahmen oder Manfred Heiting. Der Blick Richtung USA heftet sich fast zwangsläufig auf Kalifornien und das fotografische Bild davon, das von Leuten wie Weston, Strand, Adams et al. in die Welt getragen wurde.

Unter den Sammlern zählt das Ehepaar Marjorie und Leonard Vernon zu den bedeutendsten, schon bedingt durch die schiere Größe ihrer Sammlung. Aus insgesamt 5.000 Fotografien hat die Kuratorin des Santa Barbara Museum of Art, Karen Sinsheimer, zusammen mit dem Fotografieexperten Dale W. Stulz 150 Exponate ausgewählt, die nun in der Kölner SK-Stiftung zu sehen sind. Das Besondere an dieser Fotosammlung, die sich zwar, auch titelgebend für den prächtigen Katalog, „eklektisch“ nennt, ist tatsächlich ihre enzyklopädische Struktur.

Alles begann mit dem ersten Foto, das die Vernons im Jahr 1977 auf einer Auktion erstanden: Kühns „Kind auf einem Hügel“ von 1906, einem impressionistischen Gemälde gleich. Von hier an finden sich die international für die Fotogeschichte bedeutendsten Namen eines jeden Jahrzehnts in der Sammlung wieder. So fehlen zu Beginn der Fotografie weder Julia Margaret Cameron noch Eadweard Muybridge noch Henry Fox Talbot.

Die amerikanische Fotosezession ist nahezu vollständig vertreten mit Edward Steichen, Alfred Stieglitz und Gertrude Käsebier; es finden sich die wichtigsten Namen der europäischen Fotoavantgarde der 10er- und 20er-Jahre, später Modernistisches von Paul Outerbridge und Walker Evans. Über Klassiker der Modefotografie à la Richard Avedon reicht das Spektrum bis hin zu zeitgenössischen Experimenten mit Farbe wie Barbara Kastens „Juxtaposition #2“ von 1988, das wieder nah bei der Malerei ist.

Vor allem aber ist die Sammlung dem verpflichtet, was Susan Sontag den „Heroismus des Sehens“ genannt hat. Die wichtigsten Vertreter der Straight Photography, dieser uramerikanischen Art zu fotografieren, hängen in schöner Eintracht nebeneinander. Ein ganzer Raum steht den Mitgliedern der Gruppe „f 64“ zur Verfügung. Edward Weston bildet hier mit 15 Exponaten den Schwerpunkt: So sind plastische, nahezu dreidimensionale Stillleben wie die Aufnahme von einem Stück zerfurchtem Zypressenholz von 1929 zu sehen, aber auch seine berühmt gewordenen „Nudes“. Vor allem einer prägte das Bild vom schönen, großartigen Amerika: der Paul-Strand-Schüler Ansel Adams, hier vertreten durch zwei seiner berühmtesten Werke, „Moonrise“ und „Aspen“. Daneben ist auch die seltener gezeigte, meditative „Surf Sequence“ von 1940 ausgestellt.

Was in dieser Leistungsschau einer zutiefst nostalgisch anmutenden, gleichwohl betörend schönen Fotografie dominiert, ist ein Amerika abseits der Städte, abseits eines brisanten Sozialgefüges, abseits des Elends. Amerika erscheint als kollektiver Nationalpark, voller Licht und Schönheit – und einer den Menschen mit sich selbst versöhnenden Natur, die trotz aller Weite, Größe und Imposanz der Naturschauspiele doch nichts Bedrohliches hat: Amerika als Locus amoenus.

Ansätze eines sozialdokumentarischen, sozialkritischen Blicks, wie er die amerikanische Fotografie eben auch prägte, bleiben außen vor. Dorothea Langes berühmtes, im Auftrag der Farm Security Administration entstandenes Porträt „Heimatlose Mutter“ von 1936 ist in der Sammlung nur eine Marginalie. Schon die „Americans“ eines Robert Frank passen in diese Sammlung nicht mehr hinein. Selbst der Fotojournalismus, dessen Entwicklung eng verbunden ist mit amerikanischen Institutionen wie dem LIFE-Magazin, verkommt zur ästhetischen Randbemerkung in Gestalt von Margaret Bourke-Whites „Fort Peck Dam“ von 1936 – das Foto zierte den Titel der ersten LIFE-Ausgabe.

Das maßgebliche Kriterium der Sammlung wurde von der 1998 verstorbenen Marjorie Vernon schlicht mit „Schönheit“ angegeben – und eben dies macht sie, trotz ihrer unbestreitbaren Qualität, so angreifbar. Die Leidenschaft der Vernons ist ausschließlich auf klassische Ideale von Schönheit gerichtet: eine Schönheit der Symmetrien, der Ordnung, der fotografischen Reinheit, der kunstvollen Komposition. Es macht natürlich Spaß, die größten Namen der Fotografiegeschichte in gut erhaltenen Vintageprints zu bewundern; endlich mal einen Blick auf die prächtigen alten Portfolios eines Adams, Strand oder Weston werfen zu können und über die hohe Qualität der damaligen drucktechnischen Verfahren zu staunen. Vor allem aber spiegelt die Sammlung Vernon eines: die symbiotische Verbindung zwischen der Fotografie und dem nach wie vor weltweit geträumten Traum von „America, the beautiful“, der ohne sie nie so erfolgreich hätte sein können.

„Meisterwerke aus der Sammlung Vernon, Los Angeles“, bis 30. 4., SK-Stiftung Kultur, Köln. „An Eclectic Focus“. Katalog, 80 DM