Simbabwe droht Rechtlosigkeit

In Harare gehen ehemalige Guerilleros gewaltsam auf friedliche Demonstranten los, die gegen die Besetzung von Farmen protestieren. Regierung und Polizei ignorieren die Rechtsprechung und streben offenbar den Ausnahmezustand an

aus JohannesburgKORDULA DOERFLER

In Harare sind am Samstag hunderte Kriegsveteranen auf friedliche Demonstranten losgegangen, die gegen die ungesetzlichen Besetzungen von Farmen protestierten. Mit dem Schlachtruf „Hondo! Hondo!“ (Krieg! Krieg!) stürzten sich die mit Ästen und Steinen bewaffneten Exguerilleros auf die 4.000 Demonstranten. Zuvor hatten sie sich vor der Zentrale der Regierungspartei Zanu-PF versammelt. Obwohl die Demonstration anfangs friedlich verlief und auch genehmigt war, wurden die Veteranen von der Polizei unterstützt, die mit Tränengas versuchte, den Protest zu unterbinden.

„Urplötzlich tauchten die Veteranen auf, bewaffnet bis an die Zähne“, schilderte der weiße Geschäftsmann Tony Warner die Vorfälle. Auch weiße Farmer hatten sich dem Marsch angeschlossen, zu dem die Nationale Verfassunggebende Versammlung (NCA), ein Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen- und Menschenrechtsgruppen, aufgerufen hatte. 15 Menschen lagen gestern noch verletzt im Krankenhaus.

Die politischen Spannungen haben mit der Gewalt ein neues Ausmaß erreicht und könnten der Auftakt für einen gewalttätigen Wahlkampf sein. Nach 20 Jahren Unabhängigkeit, in denen die Zanu-PF von Präsident Robert Mugabe uneingeschränkt regiert hat, droht ihr bei den Parlamentswahlen erstmals eine Herausforderung. Denn die im vergangenen Jahr neu gegründete „Bewegung für einen demokratischen Wandel“ (MDC) unter dem Gewerkschafter Morgan Tsvangirai wird zunehmend populär.

Es ist kein Zufall, dass die Welle von Farmbesetzungen just begann, als Mugabe eine erste Schlappe einstecken musste. Er hatte im März eine Volksabstimmung verloren, die ihm noch mehr Vollmachten gegeben hätte. Nun kämpft der alternde Autokrat um den Machterhalt und nimmt dabei in Kauf, dass sich das einstige Musterland der politischen Anarchie nähert.

Der Bevölkerung geht es heute schlechter als vor der Unabhängigkeit, und Mugabe ist auch mit seinem größten Reformprojekt, einer gerechteren Landverteilung, gescheitert. Um wenigstens die arme Landbevölkerung noch hinter sich zu bringen, deckt der Präsident nun illegale Besetzungen weißer Großfarmen. Trotz anders lautender Gerichtsurteile sind über 700 Farmen von Veteranen und Arbeitslosen besetzt. Zwar ist die Justiz noch erstaunlich unabhängig. Mugabe aber weiß die Polizei hinter sich, die die Rechtsprechung ignoriert.

Die Opposition vermutet eine gezielte Strategie. „Die Veteranen werden von der Zanu zur Gewalt aufgehetzt“, so MDC-Sprecher Learnmore Jongwe. „Die Regierung will so lange Rechtlosigkeit schüren, bis sie einen Grund hat, den Ausnahmezustand zu verhängen.“ Damit könnte sie die Parlamentswahlen weiter verschieben. Zwar hat Mugabe angekündigt, die ursprünglich für Ende März geplanten Wahlen würden nun im Mai stattfinden. In der Zanu mehren sich jedoch Stimmen, die eine weitere Verschiebung wollen. Auch der britische Staatsminister Peter Hain sieht eine Strategie hinter der Gewalt. Großbritannien verurteile das „von oberster Ebene orchestrierte Schlägertum“ scharf, erklärte die Regierung. Hain will Simbabwe auf dem heute beginnenden EU-Afrika-Gipfel in Kairo zum Thema machen. Mugabe droht dann mit der Verstaatlichung britischer Unternehmen.