Streit um Schuldenerlass

Vor dem ersten EU-Afrika-Gipfel fordern die Afrikaner einen vollkommenen Erlass ihrer Außenstände, die Europäer wollen daran aber weiterhin Bedingungen knüpfen

aus Johannesburg KORDULA DOERFLER

Es soll ein „historisches Treffen“ werden. Doch noch ehe der erste Gipfel zwischen der Europäischen Union und Afrika in Kairo gestern Nachmittag offiziell begann, kam es schon zu Streitigkeiten – um die Schulden. Mehrere afrikanische Außenminister drängten schon während des Vorbereitungstreffens auf einen vollkommenen Erlass der Verbindlichkeiten für Afrika, stießen jedoch damit bei ihren europäischen Kollegen auf Ablehnung.

Die bi- und multilateralen Schulden der 53 afrikanischen Staaten belaufen sich derzeit auf etwa 350 Milliarden US-Dollar. Viele afrikanische Staatschefs argumentieren, dass ihre Länder auch nach der Entkolonialisierung wegen der so genannten Schuldenfalle noch nicht wirklich frei sind und allein die Zinstilgung einen großen Teil der Haushaltsausgaben verschlinge. Die ehemaligen Kolonialmächte hätten daher eine historische Verpflichtung gegenüber dem ausgebeuteten Kontinent.

„Der Schuldenerlass muss im Zentrum der Beziehungen zu Europa stehen, um Gelder für Reformen und Infrastruktur zur Verfügung zu haben“, sagte der ägyptische Außenminister Amr Moussa am Sonntag in Kairo.

Die Europäer indessen drängen auf eine differenzierte Betrachtung der Länder. Ein Schuldenerlass allein werde noch nicht zu Demokratisierung und Entwicklung führen. Gemäß der so genannten HIPC-Initiative müssen Länder, die sich für einen teilweisen Schuldenerlass qualifizieren, Auflagen erfüllen. Dazu gehören transparente Regierungsführung, Strukturanpassungsprogramme sowie Investitionen in Bildung und Gesundheit. Zu den ersten Aspiranten gehören Uganda, Mosambik und die Elfenbeinküste. Auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) vertritt diese Linie: „Während bei Mosambik sicherlich niemand große Einwände erheben würde, gibt es andere Länder, die einen Erlass nicht so dringend brauchen.“

Gemeint ist beispielsweise Nigeria, eines der größten erdölproduzierenden Länder der Welt und zugleich eines der reichsten in Afrika. Die Misswirtschaft während der Diktatur hat jedoch seine Auslandsschulden Ende 1999 auf rund 34,6 Milliarden US-Dollar, rund 70 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, anwachsen lassen. Allein in diesem Jahr hat die Regierung 1,5 Milliarden Dollar für die Tilgung eingestellt, Geld, das sie lieber in den Aufbau der Wirtschaft stecken würde.

Anders liegt der Fall in Mosambik. Das Land ist noch immer eines der ärmsten der Welt, hat kaum eigene Rohstoffe und gerade großflächige Zerstörungen durch Hochwasser hinnehmen müssen. Bislang haben die Mitgliedsländer des Pariser Clubs Mosambik die Schulden nur gestundet, bis eine „Gesamtlösung“ gefunden worden ist. Die Schulden Mosambiks belaufen sich derzeit auf etwa 5,4 Milliarden Dollar; 3,4 Milliarden sollen nach der HIPC-Initiative erlassen werden. Allerdings haben eine ganze Reihe von Ländern Mosambik nach der Katastrophe die bilateralen Schulden entweder erlassen oder angekündigt, es zu tun, darunter auch Deutschland.