Agent Orange

Unter Herbiziden – aus dem Lateinischen herba („Pflanze“) und caedere („töten“) – werden chemische Unkrautbekämpfungsmittel verstanden. Dazu gehört das im Vietnamkrieg flächendeckend eingesetzte Entlaubungsmittel Agent Orange – benannt nach den apfelsinenfarbenen Markierungsstreifen auf den Zweihundertliterfässern, in denen es nach Vietnam verschifft wurde. Es enthält hochgiftiges Dioxin.

Die im Dschungelkrieg weitgehend unerfahrenen US-Amerikaner versprühten zwischen 1962 und 1973 mehr als vierzig Millionen Liter Agent Orange über etwa 17,8 Prozent der Fläche Südvietnams. Flugzeuge und Hubschrauber der US-Airforce ließen den feinen Nebel über Wäldern und Feldern ab. Bereits wenige Tage später färbte sich das Laub braun und fiel ab.

Mit der Herbizidsprühaktion unter dem Codenamen Operation Ranch Hand sollten verborgene militärische Stellungen, Waffenlager und Transportrouten – vor allem der weit verzweigte Ho-Chi-Minh-Pfad – aufgedeckt werden. Die Entlaubung der schützenden Wälder erleichterte die Bekämpfung durch Luft- oder Artillerieangriffe. Um die Guerillaarmee zu schwächen, wurden aber auch gezielt Reisfelder besprüht und deren Erträge vernichtet.

Nach vietnamesischen Schätzungen – eine systematische Untersuchung von Provinz zu Provinz ist noch nicht abgeschlossen – sind etwa eine halbe Million Menschen durch Agent Orange getötet oder verletzt worden; Geburtsschäden von rund fünfhunderttausend Kindern werden auf die Kontamination mit Dioxin zurückgeführt. Das vietnamesische Rote Kreuz geht davon aus, dass allein heute etwa eine Million Menschen an Spätfolgen leiden.

Verschiedene Studien, die mit Kriegsveteranen in den USA durchgeführt wurden, lassen darauf schließen, dass zwischen der Agent-Orange-Versprühung und verschiedenen Erkrankungen ein Zusammenhang besteht. Ähnliche Resultate ergaben Studien, die in Vietnam durchgeführt wurden. Besonders gravierend ist die erhöhte Rate angeborener Defekte, die wiederholt und in mehreren Generationen auftreten können. Eine höhere Krebsrate und geschwächte Immunsysteme wurden ebenfalls festgestellt.

Da das Umweltgift ungehindert in die Nahrungskette gelangen konnte, muss auch in künftigen Generationen mit Missbildungen gerechnet werden. Noch heute werden kontaminierte Böden entdeckt, auf denen Bauern Reis anbauen. Auch der einst große Regenwaldbestand ist dezimiert. Laut US-Angaben wurden durch den Herbizid-Einsatz etwa vierzehn Prozent der Wälder zerstört. Oftmals wachsen dort nur noch Gräser und Büsche. Die fortschreitende Erosion verursacht vielfach Überschwemmungen. Vietnamesische Studien belegen zudem, dass Agent Orange auch den Bestand zahlreicher ohnehin gefährdeter Tierarten bedroht.

Während der Verhandlungen über ein Verbot der chemischen Waffen, die 1969 bis 1993 stattfanden, haben es vor allem die USA stets abgelehnt, Entlaubungsmittel als chemische Waffen zu erfassen. Das Übereinkommen über chemische Waffen (CWÜ), das 1997 in Kraft trat, nennt Herbizide nur in der Präambel.

Als erster US-Verteidigungsminister hat William Cohen Anfang März das Land seit Kriegsende besucht. Dabei versprach er Hilfe für die Opfer des Entlaubungsmittels. Erst seit Anfang des Jahres bekommen sie von der vietnamesischen Regierung zwischen sechs und vierzehn Mark monatlich. Zum Vergleich: Ein schwer geschädigter amerikanischer Vietnamveteran kann eine monatliche Rente von bis zu fünftausend Dollar erhalten. JAN ROSENKRANZ