■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Blauer Dunst im Parlament
Gestern war Weltgesundheitstag. Haben Sie's gewusst? Wenn ja, was haben Sie denn dann gestern für Ihre Gesundheit getan? Gar nichts? Macht nichts, so ähnlich geht es auch mir. Mich interressiert immer viel mehr, was die anderen so treiben. Also hab' ich mal nachgeguckt, wie es so in Bremens Amts- und Abgeordnetenstuben zugeht. Und dabei bin ich doch glatt über ein richtig historisches Datum gestolpert. Über ein echtes Jubiläum. Einen zehnten Geburtstag.
Am 8. April 1990 nämlich hat der arme, rauchgeplagte Grünenabgeordnete Martin Thomas nach einer völlig verqualmten Sitzung der Bremer Innendeputation selbige wutentbrannt verlassen und dann direktemang einen Antrag bei der Bürgerschaft gestellt: Rauchverbot in allen parlamentarischen Gremien. Der gute Tommy hatte im wahrsten Sinne des Wortes die Schnauze gestrichen voll, haben wir damals schon geschrieben. Und für seinen Antrag hat er sich wohl auch volle Rückendeckung von einer breiten Mehrheit der Abgeordneten verlassen. Hatte doch der hochherrschaftliche Senat ein solches Rauchverbot bereits vier Jahre zuvor durchgesetzt.
In seiner Sitzung vom 25. November anno 1986 erging damals ein weitgreifender Beschluss zum „Nichtraucherschutz in Diensträumen“. Demnach sollen Nichtraucher und Raucher nicht mehr im gleichen Zimmer sitzen. In Aufzügen, Gängen, Lehr- und Unterrichtsräumen ist das Rauchen grundsätzlich untersagt. In Dienstfahrzeugen darf nur gepafft werden, wenn alle einverstanden sind. Und vor allem „in Sitzungen und sonstigen dienstlichen Zusammenkünften ist bei Anwesenheit von Nichtrauchern das Rauchen verboten“, heißt es dort weiter. „Der Sitzungsleiter hat durch eine entsprechende Pausengestaltung für einen Ausgleich der Belange zu sorgen.“ Na also, sollte man meinen, ist doch für alle gesorgt. Aber: weit gefehlt.
Der arme Martin Thomas ist damals voll auf die Schnauze gefallen. Denn um seinen Antrag war in der Bürgerschaft ein wahrer Dichterkrieg ausgebrochen. „Wo man raucht, da kannst du ruhig harren, böse Menschen haben nie Zigarren“, fuhr der CDU-Abgeordnete Wedige von der Schulenburg erstmal schweres Geschütz für ihn auf. Doch die Sozialdemokratin Anneliese Leinemann hielt dagegen, was das Zeug hielt. Und zwar mit Wilhelm Buschs Lehrer Lempel. Und nach elf mitreißenden Versen waren die Parlamentarier dann restlos von der Notwendigkeit überzeugt, in allen Sitzungen zu rauchen. Gegen Wilhelm Busch kam Martin Thomas einfach nicht an. Sein Antrag wurde mit 47 zu 40 Stimmen bei drei Enthaltungen abgeschmettert.
Dabei ist es bis heute geblieben. Und immer noch beklagen sich im vertraulichen Gespräch immer mal wieder Mitarbeiter in der Bürgerschaft und Abgeordnete, dass dort überall geraucht werden darf. An jeder Ecke steht so ein großer, runder Aschenbecher. Nur in der Bibliothek finden die rauchgeplagten Nichtraucherseelen mal Frieden vor dem Gestank. Und im Plenarsaal selbst. Aber der würde wohl auch weniger unter die Arbeitsschutzgesetzgebung fallen, möchte man oftmals meinen.
Immerhin scheint sich die Freiwilligenmoral inzwischen ein wenig gebessert haben. Hört man doch allerorten, dass die richtig militanten Raucher inzwischen auf dem Rückmarsch sind. Nur ein Name wird als absolut renitent immer wieder genannt: Helmut Pflugradt, CDU-Chefluftverpester. Dem ist angeblich mit nichts beizukommen. Einen letzten Versuch will ich hier noch mal wagen: Lieber Herr Pflugradt, liebe Mitraucher, bedenken Sie bitte Folgendes. Gerade als Partei, die sich immer sehr um die Sicherheitsbelange dieser Stadt bemüht, fördern Sie durch Ihr Laster terroristische Anschläge. Denn hätte bereits oben zitierter Lehrer Lempel nicht dem ungezügelten Tabakgenuss gefrönt, hätten die beiden Terroristen Max und Moritz das Sprengstoffattentat auf ihn nicht so erfolgreich ausführen können. Wollte uns also Wilhelm Busch vor der Tabakgenusssucht warnen? Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe mit Sicherheit. Schrieb er doch versteckt in seinen venezianischen Epigrammen: „Vieles kann ich ertragen, die meisten beschwerlichen Dinge duld ich mit ruhigem Mut, wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange zuwider, vier: Rauch des Tabaks, Wanzen und Knoblauch und ...“ findet auch Ihre Rosi Roland
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