Davon können andere nur träumen

■ Kulturstaatsrätin Motschmann antwortet auf Intendant Pierwoß: Seine Kritik ist völlig absurd

In scharfer Form hat der Intendant des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, die Kultur- und Theaterpolitik des Kultursenators Bernt Schulte (CDU) kritisiert (vgl. taz vom 6.4.). Der Theaterchef wirft dem Senator und anderen Bremer PolitikerInnen vor, ihn für seine kulturpolitische Unbequemlichkeit abstrafen zu wollen. „Das kann so nicht stehen bleiben“, sagt Schultes Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU). Während der Senator im Osterurlaub ist, antwortet sie auf Pierwoß Kritik.

taz: Erleben wir gerade einen neuen Bremer Theaterkrach?

Elisabeth Motschmann: Von uns aus ganz sicherlich nicht. Aber offenbar sucht Herr Pierwoß den Streit mit diesem Haus. Dieser Streit ist absolut überflüssig, weil der Senator in einer Zeit ganz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen unglaublich viel für das Theater getan hat. Das Theater hat als einzige Institution dieser Stadt Planungssicherheit für die nächsten fünf Jahre. Davon träumen andere Kulturinstitutionen. Wenn das kein Entgegenkommen von Seiten der Kulturbehörde ist, verstehe ich die Welt nicht mehr.

Pierwoß beschreibt seine Situation so, dass ihm permanent Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Außerdem erfährt er aus der Zeitung, dass er ab 2004 nicht mehr Intendant sein soll. Haben Sie da nicht Verständnis für seinen Groll?

Natürlich wünschen auch wir uns andere Rahmenbedingungen für das Theater. Aber wir leben in einem Haushaltsnotlageland. Wir müssen auch von Herrn Pierwoß und dem Theater verlangen, dass sie ihren Solidarbeitrag leisten. Herr Pierwoß beklagt jetzt, dass er sechs Monate auf die Unterschrift unter seinen Vertrag warten musste. Dabei hatte (die ehemalige Kultursenatorin; Anm. d. Red.) Frau Kahrs den Vertrag bereits unterschrieben, als wir das Kulturressort übernommen haben. Die Probleme lagen darin, dass Herr Pierwoß weitere Forderungen hatte, die wir nicht alle erfüllen konnten. Zu der Frage, was nach 2004 passieren soll: Der Senator hat lediglich gesagt, dass wir dann die Spielstätte Concordia auf kündigen werden. Wenn Herr Pierwoß sein Schicksal mit dieser Spielstätte verbindet, wundert mich das. Ich dachte, dass sein Schicksal mit dem Theater am Goetheplatz verbunden ist und nicht mit so einer winzigen Spielstätte wie dem Concordia, über die man ja noch diskutieren kann.

Aber Schulte hat bei der Pressekonferenz den Ausdruck „für die Zeit nach Pierwoß“ benutzt. Es gab die Vereinbarung, zwei Jahre vor Ende des Intendantenvertrages im Jahr 2004 darüber zu reden. Jetzt gibt es aber schon die Zeit „nach Pierwoß“?

Das liegt daran, dass Pierwoß bei den Vertragsverhandlungen darauf gedrängt hat, dass der Status quo (alle vier Sparten und alle Spielstätten; Anm. d. Red.) erhalten bleibt. Das ist ihm zugestanden worden. Für die Zeit danach müssen wir uns Gedanken machen, was wir uns noch leisten können. Das jetzt zum großen Streitthema hochzustilisieren, ist völlig absurd.

Noch mal nachgefragt: „Für die Zeit nach Pierwoß“ klingt nicht nach einer erneuten Vertragsverlängerung. Schließen Sie oder der Senator die schon aus?

Diese Frage muss nicht jetzt, sondern im Jahr 2004 beantwortet werden. Entscheidend wird sein, ob die gegenseitigen Bedingungen in Einklang gebracht werden können.

Sie wollen Lutz Dünnwald zum Theater-Verwaltungschef küren. Doch Klaus Pierwoß will nicht, weil Dünnwald erst im Herbst 2001 nach Bremen kommen kann. Wie ist dieses Problem zu lösen?

Auch diese Frage erhebt Klaus Pierwoß zum Streit. Ich sage ganz klar: Wir haben ein gutes, demokratisches Auswahlverfahren gemacht. Wir hatten zwanzig Bewerber und haben acht in einer Findungskommission angehört. Es gab eine einstimmige und sehr eindeutige Entscheidung für Lutz Dünnwald, der für uns der mit Abstand beste Kandidat war. Auch Herr Pierwoß hat sich mit Wissen der Schwierigkeiten am Anfang dem Votum der Findungskommission angeschlossen.

Er behauptet das Gegenteil.

Er hat es sich hinterher anders überlegt. Wir können aber nicht einen einzelnen entscheiden lassen, wer kommt und wer nicht. Das muss in einem sauberen Verfahren laufen, und das ist gelaufen. Jetzt geht es noch um den Anfangszeitpunkt. Wir werden mit Herrn Dünnwald Verhandlungen über seine Möglichkeiten aufnehmen, früher nach Bremen zu kommen. Doch die Alternative kann nicht sein, dass man diesen hoch qualifizierten Mann ziehen lässt.

Pierwoß und viele andere VertreterInnen der Kulturszene kritisieren die neu geordnete Kulturverwaltung und insbesondere die Kulturcontrolling-Gesellschaft kmb. Der Intendant sagt: Die kmb sei dazu da, die Kulturszene an den Haushalt anzupassen.

Das ist sachlich falsch, weil die kmb uns Zahlen geliefert hat, die uns bei den Verhandlungen mit dem Gesamtsenat sehr helfen. Erstmalig ist ein transparentes Szenario gemacht worden, wie sich die Kulturfinanzierung in den nächsten Jahren entwickeln wird. Wir müssen darum kämpfen, dass wir eine bestimmte Summe bekommen, um die Lebendigkeit der Bremer Kulturszene zu erhalten. Ich bin optimistisch, dass uns das gelingt. Aber wir müssen sehr genau begründen, warum wir zehn Millionen Mark mehr für die Kultur brauchen. Dabei sind die kmb-Zertifikate für die Wirtschaftspläne der Kultureinrichtungen außerordentlich hilfreich, um Vertrauen für Kulturfinanzen im Gesamtsenat zu bekommen. Ich kann nur für eine Zusammenarbeit mit der kmb werben, die bei der Betriebsuntersuchung des Waldau-Theaters eine unglaublich gute Ausarbeitung vorgelegt hat. Ich erwarte, dass die kmb sich jetzt Einrichtung für Einrichtung ansieht. Und solch ein kmb-Zertifikat kann eine vertrauensbildende Maßnahme sein. Das haben viele nur noch nicht verstanden. Klaus Pierwoß Intervention ist dabei schädlich. Wir haben viel dafür getan, ihn in Bremen zu halten, weil er das Theater wieder mit sehr viel Leben erfüllt hat. Aber angenommen, unsere Wünsche gehen nicht in Erfüllung, dann braucht Herr Pierwoß die Solidarität der anderen, weil die dann den Gürtel enger schnallen müssen. Doch diese Auseinandersetzung zwischen freier Szene und großen Institutionen haben wir immer zu vermeiden versucht. Aber so, wie er hier redet und polemisiert, gefährdet er die Solidarität, auf die er vielleicht selbst angewiesen sein wird.

Fragen: Christoph Köster