Nackt im Wind mit Pferd

Brave Göttinnen kämpfen gegen böse Powerranger, und Andalusier, Araber und pechschwarze Friesen mitwallenden Mähnen helfen mit: Der überdimensionale Superzirkus „Der Zauberwald II“ im Pferde-Palast

Man riecht die Pferde natürlich. Da können die 60 Hengste noch so edel sein – das Betreten der Manege des „Pferde-Palasts“ erinnert an Zirkusluft und Reiterhofduft. Aber besser onduliert als das Publikum sind die Rappen und Schimmel jedenfalls – Mähne und Schweif der „Andalusier, Friesen und Araber“ (das weiß das Programmheft, nicht ich) sind allerliebst zu kleinen Wellen gekreppt und schwingen beim Dressurreiten mit.

Das Musical „Der Zauberwald II“ ist ein überdimensionaler Superzirkus. Genauso grandios-bombastisch wie das Ankündigungsplakat mit blondem Pferd, dessen Mähne sich im Windkanal in die Mähnen zweier Darsteller (Magier? Artistin?) verflicht: ein unglaubliches Stück 80er-Jahre-Mädchenzimmer-Pferdebuch-Kitsch-Ästhetik. Nackt im Wind mit Pferd quasi.

Aber eindrucksvoll ist der Pferde-Siegfried-und-Roy-Verschnitt in der Tat. In sieben Akten müssen eine Fee und ein Mensch den Zauberkristall wieder zusammensetzen und damit die Herrschaft des Bösen über die Fantasie bekämpfen, oder so ähnlich, die Story ist egal – es ist schließlich kein Pferdekrimi. Jedenfalls sollen Fee Angie (in weißem Glitzerballettfetzen) und Mensch Joey (mit Stirnband) die Kristallsplitter in verschiedenen „Zeitebenen“ wiederfinden, wobei sie andauend auf die bösen Powerranger treffen.

Die Hauptpowerrangerin ist nämlich die „Höllenfürstin“, darum singt sie hin und wieder (Playback, wie alles in der Show) ihr Erkennungslied „Ich bin so mies, gemein und fies“ und lacht laut und schrecklich. Angie und Joey stellen sich nicht sehr schlau beim Zauberwald-Retten an, zum Glück erscheint manchmal ein freundlicher Transvestit in Feenkostüm an der Riesenleinwand und gibt nützliche Tips, wie’s weitergehen könnte.

Das ist die Göttin der Fantasie, und sie bevorzugt das Schweben in einer Zauberer-von-Oz-artigen Blase. Dafür ist der geschwätzige Wesir des Scheichs, dem es auch einen Kristallsplitter abzujagen gilt, eine Tunte. Und während man ihm so beim Muskeltätscheln von „Mr. Ghana“ (einem Darsteller aus Westafrika) zuguckt, freut man sich doch über dieses tolerante Nebeneinander. Es haben sich halt eigentlich alle lieb im Zauberland. In der Pause, bei Eis am Stil und Pferd am Band vom Devotionalienstand, liest man noch mal ein paar Facts über „die Chef-Bereiterin Susanne Rappenecker“ (ehrlich!), über den legendären Zirkus- und Pferdezirkusdirektor Franz Althoff und „Schalke, den pechschwarzen Friesen mit der wallenden Mähne“ (wirklich!).

Am Ende, nachdem das begeisterte Publikum zwei Stunden lang mit beeindruckenden Verrenkungen der größtenteils aus Osteuropa stammenden ArtistInnen bombardiert wurde, mit Superduper-Pferdeformationen, computeranimierten Bildhintergründen, Wasserspielen und Jonglierkunst auf allen Ebenen, da werden durch einen dummen Zufall sogar die beiden Hauptbösewichte gut.

Sämtliche kleine Mädchen sowie einige kleine Jungen im Publikum wollen ab morgen SOFORT einen Reitkurs belegen, und die sehnigen Fleischstücke, die die fliegenden Mongolen in der Wüstenszene beim Voltigieren unter den Sattel gesteckt hatten, sind garantiert auch gar.

JENNI ZYLKA

Bis zum 13. 4., 18 und 20 Uhr, im Pferde-Palast, Potsdamer Platz Ecke Leipziger Straße