Von Polen bis nach Spanien

Mit der Fusion von Pearson Television und CLT-Ufa entsteht Europas größter Fernsehkonzern

von STEFFEN GRIMBERG

Reinhard Mohn hat sich einen Ruck gegeben. Völlig mit der ehernen Firmenphilosophie des Hauses brechend hat der 79-jährige Bertelsmann-Patriach den Kurs gewechselt: Erstmals durfte Konzernchef Thomas Middelhoff ein „Kerngeschäft“ des viertgrößten Medienkonzerns der Welt, den gesamte Fernsehbereich, aus der Hand geben – und mit den TV-Aktivitäten der britischen Perason-Gruppe zusammenlegen. Das dann größte europäische TV-Unternehmen macht im Jahr rund 8 Milliarden Mark Umsatz und soll an der Londoner Börse notiert werden.

Bisher ist Bertelsmann ist über eine Holding mit dem wenig klangvollen Namen CLT-Ufa an 22 TV-Sendern und 18 Radiostationen in ganz Europa beteiligt, zu der auch der deutsche Marktführer RTL und der französische Sender M 6 gehören. Außerdem ist die Holding Dachorganisation etlicher Fernsehproduktionsfirmen und der IP Group, die für die Vermarktung und den Verkauf der Werbezeiten aller CLT-Ufa-Sender sorgt.

Pearson Television ist der Fernseharm der renommierten britischen Pearson-Gruppe, die wie Bertelsmann auch im Zeitungs- (Financial Times und andere Wirtschaftszeitungen in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Deutschland) und Buchgeschäft aktiv ist.

Und auch wenn die beiden Partner daher auf den ersten Blick allzu gleich scheinen, ergänzen sich doch mehr als vorteilhaft: Während Bertelsmann über die CLT-Ufa vor allem die Sender mitbringt, ist Pearson schon heute der größte Produzent von TV-Programm in Europa. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf international gut verwertbaren Formaten: In Sachen Serien und „Light Entertainment“ (Gameshows und Daily Soaps) macht dem aus der größten britischen TV-Produktionsgesellschaft Thames Television hervorgegangenen Unternehmen niemand ernsthaft Konkurrenz.

„Wir haben Europas TV-Gesellschaft Nummer 1 geschaffen, die Nummer 1 auf allen Gebieten“, frohlockte Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff gestern in London bei der Bekanntgabe des Zusammenschlusses. 150 Millionen Zuschauer erreicht das neue Unternehmen, an dessen Namen noch gebastelt wird, schon heute jeden Tag – europaweit von Spanien bis Polen.

Und weil Bertelsmann nun einmal Bertelsmann ist und hier Deals erst verkündet werden, wenn auch wirklich alles unter Dach und Fach ist, ist sich auch Pearson-Chefin Marjorie Scardino ihrer Sache sicher: „Dies ist nicht eine Fusion, von der Sie morgen in der Zeitung lesen, dass sie nicht geklappt hat.“

Zeit, sich kennen zu lernen, hatten die Partner ohnehin genug: Pearson und die CLT-Ufa halten gemeinsam die Mehrheit am 1997 gestarteten britischen TV-Sender Channel 5 und sind auch bei M-RTL in Ungarn Partner. In Deutschland produziert die gemeinsame Produktionfirma Grundy-Ufa die erfolgreichste Serie der Republik („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“), auf ganz anderen Gefilden beglücken beide Konzerne den deutschen Markt über ihre Zeitungstöchter seit Februar mit der Financial Times Deutschland.

Ob sich beide Partner allerdings in Sachen Führungsstil und Strategie auch bei der jetzt ganz großen Lösung aneinander gewöhnen werden, muss sich noch zeigen: Trotz des schwungvolleren Führungsstils von Thomas Middelhoff gilt Bertelsmann noch immer als im internationalen Vergleich übervorsichtig und zu zögerlich. Erst vor wenigen Monaten war die damals mögliche Fusion des Online-Riesen AOL mit dem Gütersloher Tradionshaus zum größten Medienkonzern der Welt am Veto der „alten Garde“ gescheitert und AOL prompt mit Time-Warner handelseinig geworden.

Auch daher ist die TV-Fusion mit Pearson für Bertelsmannschon fast ein Befreiungsschlag: Zwar arbeitet der Konzern erfolgreich an der Schaffung einer Senderfamilie rund um RTL, hat aber gerade im Bereich international einsetzbarer Eigenproduktionen noch erheblichem Nachholbedarf: Erst seit zwei Jahren bietet RTL Eigengewächse wie „Alarm für Cobra 11“ auf den weltweiten Fernsehmessen zum Kauf an. Der Erfolg ist – wie bei Produktionen made in Germany generell – eher bescheiden. Hier bringt Pearson Know-how und geeignete Formate zuhauf mit und ist auch im größten Fernsehmarkt der Welt fest etabliert: Mitte der Neunzigerjahre übernahm der Konzern US-Produktionsfirmen wie All American und die australische Gruppe Grundy Worldwide, die für Quotenhits wie „Baywatch“, „Neighbours“ und eben „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ steht.

Mit dabei sind auch bei neuen TV-Holding einige alte Bekannte: Wie bisher bei der CLT-Ufa ist die Essener WAZ-Gruppe Partner der Bertelsmänner. Gemeinsam werden sie mit 37 Prozent der Anteile das neue Unternehmen führen. Bertelsmanns anderer CLT-Partner, der als graue Eminenz der europäischen Medienszene geltende belgische Finanzier Albert Frère, hält 30 Prozent. Pearson macht mit 22 Anteilsprozenten also eher den Juniorpartner – und nur ganze 11 Prozent der Anteile sollen tatsächlich an die Börse gehen, breit gestreut natürlich.

Die Kirch-Gruppe, Bertelsmanns bisher schärfster Konkurrent im TV-Geschäft, hüllte sich gestern übrigens in tiefstes Schweigen.