SPD stimmt grüne Bedenken weg

Der Bundesrat beschließt strengere Vorschriften zum Einbürgerungsrecht – mit den Stimmen von Union und SPD. Aus der geplanten Vertagung wurde nichts. Die Grünen fühlen sich übergangen und sprechen von „reaktionärem Mist“

von LUKAS WALLRAFF

Die Grünen sind empört. In einer großen Koalition aus SPD- und unionsregierten Ländern hat der Bundesrat gestern verschärfte Vorschriften zum Staatsbürgerschaftsrecht beschlossen. Dabei hatte die SPD den Grünen bis zuletzt Hoffnung gemacht, ihre Einwände würden berücksichtigt.

„Das ist kein gutes Signal in der aktuellen Einwanderungsdebatte“, kritisierte der Landesvorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, Andreas Braun, das Verhalten der SPD. Weniger diplomatisch äußerte sich der Fraktionschef der NRW-Grünen, Roland Appel. Für ihn sind die beschlossenen Verwaltungsvorschriften eine „Sauerei“.

Die Grünen sperren sich vor allem gegen die höheren Hürden bei der Einbürgerung, die nachträglich eingebaut wurden. So soll es bei dem Verbot der Mehrstaatlichkeit noch weniger Ausnahmen geben als ursprünglich geplant. Außerdem soll es den Behörden erlaubt werden, bei der Einbürgerung von Kindern höhere Gebühren zu verlangen. Erwachsene könnten gezwungen werden, eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass gegen sie kein Strafverfahren läuft.

Wegen der grünen Bedenken wollte das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen die gestrige Abstimmung vertagen. Auch der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hatte sich dafür ausgesprochen, neu zu verhandeln (die taz berichtete gestern). Doch daraus wurde nichts: Die CDU/CSU-regierten Länder signalisierten, dass sie einer Vertagung nicht zustimmen würden – und NRW verzichtete auf einen entsprechenden Antrag. Bei der Abstimmung enthielten sich die rot-grün regierten Länder. Die Länder, in denen die SPD ohne die Grünen regiert, stimmten mit der Union für die verschärften Vorschriften.

Die Grünen fühlten sich schon im Vorfeld übergangen, weil die SPD-Innenminister ohne Beteiligung der Grünen zahlreichen Änderungsvorschlägen der Union zugestimmt hatten. Man könnte auch sagen: Die Grünen haben tatenlos zugesehen und erst in letzter Minute Einspruch eingelegt – als es schon zu spät war.

Jetzt können sie nur noch die Notbremse ziehen: Die einheitlichen Verwaltungsvorschriften für ganz Deutschland treten erst in Kraft, wenn die Bundesregierung zustimmt. Andernfalls könnte jedes Bundesland selbst entscheiden, wie es bei der Einbürgerung vorgeht. „Das ist mir auf jeden Fall lieber als der reaktionäre Mist, der im Bundesrat beschlossen wurde“, sagte Appel. Der NRW-Politiker traut seinen Parteifreunden in Berlin allerdings nicht allzu viel Durchsetzungskraft zu: „Wo Herr Schily mit am Tisch sitzt, muss man befürchten, dass sich ein Gedankengut durchsetzt, das den grünen Vorstellungen nicht entspricht.“

Doch zuvor möchte die grüne Ausländerbeauftragte Marieluise Beck noch ein Wörtchen mitreden: „Wir werden genau abwägen, ob das Eintreten der Vorschriften noch die Interessen der Betroffenen wahrt oder nicht.“