Die Frau, die den Parteitag kippte

Hier stehe ich, ich kann nicht anders: Sylvia-Yvonne Kaufmann sprach, und der Vorstandsantrag zur Friedenspolitik wurde abgelehnt

MÜNSTER taz ■ Kennen Sie Sylvia-Yvonne Kaufmann? Selbst mancher Stratege von Konkurrenzparteien kannte die stellvertretende Vorsitzende der PDS bislang nicht. Das hat sich geändert.

Die 45-Jährige hat mit ihrer Rede zu Einsätzen in Krisengebieten auf Beschluss der Vereinten Nationen am Samstag den PDS-Parteitag gekippt. Nach einem knochentrockenen Referat von Michael Schumann, der den Leitantrag des Parteivorstandes im Stile erstens, zweitens, drittens herunterbetete, war die kleine Berlinerin an der Reihe. Ihr Kopf war kaum zu sehen hinter dem Rednerpult, als sie ansetzte: „Diese Rede ist die schwierigste in meinem zehnjährigen PDS-Leben.“

Nun hatten alle knapp 400 anwesenden Delegierten nur noch Aug und Ohr für Sylvia-Yvonne Kaufmann. Sie wende sich gegen den Parteivorstand, sagte sie, an Luther gemahnend, „weil ich einfach nicht anders kann“. Dass die PDS-Bundestagsfraktion selbst darüber entscheiden wolle, ob sie friedenserzwingenden Einsätzen mit UN-Mandat zustimmen könne, bewege sie zu sehr.

Sylvia-Yvonne Kaufmann ist promovierte Japanologin. Sie war 1990 Volkskammerabgeordnete und vier Jahre lang Beobachterin im Europäischen Parlament. Seit 1993 ist sie als stellvertretende Parteivorsitzende für internationale und Friedenspolitik zuständig.

Ihr wesentliches Argument war dies: Der Leitantrag des Parteivorstandes bereite die PDS praktisch darauf vor, Kampfeinsätzen auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates zuzustimmen.

Kaufmanns Stärke aber lag im Gefühl. Sie steigerte ihre Rede bis zu jenem Schlusssatz, der in ihrem Manuskript gar nicht am Ende stand. „Ich will nicht, dass am Montag geschrieben steht, die PDS habe in Münster eine Wende vollzogen“, begann ihre Stimme zu zittern, „und sich für ,humanitäre Interventionen` entschieden.“ Jetzt schluchzte sie. Unsicheren Schritts verließ sie das Podium, in wenigen Momenten war sie von Kameraleuten und ergriffenen GenossInnen umstellt. Und in der Halle klatschten jetzt alle – quer durch die innerparteilichen Fraktionen. Sylvia-Yvonne Kaufmann war nach ihrer Rede keinesfalls aufgelöst. Sie stellte sich dem Kompromiss nicht in den Weg, den der Ehrenvorsitzende Hans Modrow in den Antrag einfügte – obwohl seine Formel eigentlich mit dem Kaufmann-Antrag unvereinbar war. Lapidar ließ er in den Text eine jeweilige Prüfung der von der UNO ergriffenen Maßnahmen „entsprechend den Grundpositionen“ der PDS aufnehmen.

Die Berliner PDS-Politikerin nickte das ab. Ihren Sieg über die Parteispitze hatte sie schon erfochten. cif