die stimme der kritik
: Betr.: Bomben auf Montecassino

DER ABT IST IM KLOSTER

Sollten Sie an der Erhaltung des Weltkulturerbes interessiert sein, vermeiden Sie bitte unter allen Umständen folgenden Satz am Telefon: „Ostern? Klappt.“ Klingt wie „Kloster Abt.“, und das ist gefährlich. Sie könnten abgehört werden, und Ihre unbedachte Feiertagsverabredung könnte schreckliche Folgen haben. Kein Witz.

Aus der gestrigen FAZ erfuhren wir, warum das italienische Kloster Montecassino, „die Wiege des abendländischen Mönchtums“, vom 15. bis 18. Februar 1944 von den Alliierten in Schutt und Asche gebombt wurde – aufgrund eines Irrtums. Alliierte Abhörer hatten nämlich einen Funkdialog der Deutschen abgehört. „Ist der Abt im Kloster?“, war die Frage, und die Antwort lautete: „Ja, im Kloster mit den Mönchen.“ „Abt“, das war dem Dienst habenden Lauscher ganz klar, war eine Abkürzung für „Abteilung“, das Kloster also ganz klar belegt mit deutschen Soldaten und somit unbedingt zu zerstören.

Abt. Kloster. Bumm.

So dumm, so einfach geht das.

Fünfunddreißig Jahre später, Stasi, Hauptabteilung III, Zentralobjekt Wuhlheide. Abgehört wird diesmal die Bonner Nummer (02 28) 56-20 02, der Privatanschluss von Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler der BRD. Stellen wir uns nur einmal kurz vor, was passiert wäre, wenn die Stasi-Lauscher ähnlich nervöse Reaktionen gezeigt hätten wie früher ihre alliierten Kollegen. War es doch ihr Auftrag, „Hinweise zu gegen die sozialistischen Staaten gerichteten Aktivitäten“ zu sammeln.

9.000 Seiten, hat der Tagesspiegel errechnet, müsste die Stasi-Abhörakte „Kohl“ über die Jahre an Umfang gewonnen haben. 9.000 Seiten voller unbedachter Kanzlerworte, voller Sozen-Hass und Bimbes-Gier. 9.000 Seiten voller potenzieller Missverständnisse und diplomatischer Verwicklungen.

Wenn die Kohl-Protokolle bald auftauchen und endlich für jeden lesbar im Internet stehen, dann wird die Erleichterung wohl groß sein: Wahrscheinlich hat er gar nichts Gefährliches gesagt. Denn, so viel ist bekannt, Helmut Kohl lies sich auf Dienstfahrten zu willkürlich ausgewählten Telefonzellen fahren und vertelefonierte Unmengen von Kleingeld. Das waren wohl die wirklich explosiven Gespräche. STEFAN KUZMANY