Werden, Wirken, Welken

■ Der singende Freizeitficker und Brustbeau Tom Jones hat sich mit einem Duett-Wettbewerb wieder mal erfolgreich revitalisiert

Manchmal besticht die Popwelt auch durch Klarheit. Tom Jones zumindest ist nicht der Mann mit den 1000 Gesichtern, kein Fantomas zwischen den Welten. Da lebt jemand die Eindimensionalität seines Seins und ist reich und berühmt damit geworden. Egal, und das ist nicht böse gemeint, wen der reanimierte Dancefloor-Erotiker im Laufe seiner Karriere zugestöhnt oder sonstwie mit stimmlichen Körperflüssigkeiten penetriert hat: Jones blieb stets Jones, von der Stiefelette bis zur schwarzgetönten Haarlocke, von „It's Not Unusual“ bis „Sexbomb“.

Und was sind während seiner fast 40-jährigen Laufbahn nicht alles an Vergleichen bemüht worden, die das Werden, Wirken und zwischenzeitliche Welken des walisischen Brusthaar-Beaus einfangen sollten. Hilfreich waren nur die wenigsten. „Jones The Voice“ war der ein wenig anmaßende Versuch, Eros, Physis und Volumen einen klangvollen Namen zu geben. Mitte der 60er mühten sich die Macher, den Entertainer als noch heißere Version von Elvis zu verhandeln. Mal abgesehen davon, dass es unmöglich ist, noch heisser als Elvis zu sein, war dieses Unternehmen eine Rechnung ohne den Wirt namens Radioredakteur. Und so wurden die ersten Gehversuche des einstigen Kneipenbarden im britischen Mainstreamradio mirnichtsdirnichts mit dem Stigma „too hot“ für die Hausfrauen-Fraktion vom Tisch gefegt. Das hinlänglich bekannte Prädikat des „Womanizer“ kam da treffender, verkaufsfördener und glamouröser ums Eck, wenngleich als bedingt schmeichelhafte Koseform vom singenden Freizeitficker, dem die Welt nicht genug ist. Aber genau das ist es, was Jones zu dem Lautmaler werden ließ, für den ihn die Massen eine ganze Dekade lang schätzten und die ihn zu einem der Grundpfeiler internationaler Unterhaltungsgeschichte erhoben.

Onkel Toms Mega-Präsenz, zu feist für ein Vereintes Königreich, hörte auf den Ruf des wirklich großen Entertainments und zog von der Insel auf die Bretter der zahlreichen Paralleluniversen des amerikanischen Showmarktes, genauer: Las Vegas. Und was da abgeht in Sachen Stardom, Legendenbildung und lebensumgreifendem Verschwendertum, ermöglichte in unserem Fall umwerfende Auftritte im Maßanzug, parfümiertem Sex-Schweiß und eine TV-Show mit dem Titel This is Tom Jones!. Was auch sonst, wenn nicht eine Sendung, in der Jones zeigte, dass er sie alle haben konnte: Elvis samt Priscilla, Aretha Franklin, Paul Anka, Peter Sellers. Und fast alle mussten in den Duett-Ring mit Tom, diesem Verweigerer der Zwischentöne und Abfeierer seiner selbst.

Natürlich war Jones, der fleischliche, kein Wesen aus einer Welt ohne Ende und seine überdimensionale Brustbehaarung alles andere als zeitlos. Die 80er wirkten in ihrer Androgynität wie ein Gegenpol zum Party-Potenzler der vergangenen zwei Dekaden. Und hätten sich Jones' Ideenentwickler nicht mit „Kiss“ ein Prince-Cover als Hit-Clou ausgedacht, wäre der starke Tom wahrscheinlich im tiefen Tal des Show-Schlagers gelandet und hätte Engelbert einen Freund nennen müssen. Aber spätestens seit Reload ist alles anders und Tom Jones eine Koryphäe, die andere davon überzeugen konnte, ihm zu huldigen. Für „Delilah“, „What's New Pussycat“, und wenn es sein muss, auch für „Sexbomb“.

Oliver Rohlf

So, 16. + Mo, 17., jeweils 20 Uhr, CCH 1